A Report on the 2019 ISPE Europe Annual Conference
Während Aspekte der Herstellung steriler Produkte im Anhang 1 zum EU-GMP Leitfaden [1] (derzeit in Überarbeitung) beschrieben sind, wurden die europäischen Leitlinien für die Auswahl der am besten geeigneten Sterilisationsmethode seit mehreren Jahren nicht aktualisiert. Diese Lücke wurde nun mit der Veröffentlichung der neuen EMA-Leitlinie geschlossen.
Am 8. März 2019 hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die finale Fassung der Leitlinie "Sterilisation of the medicinal product, active substance, excipient and primary container" (EMA/CHMP/CVMP/QWP/850374/2015)[2] veröffentlicht. Das Dokument tritt am 1. Oktober 2019 in Kraft.
Die Leitlinie beschreibt die Auswahl geeigneter Sterilisationsmethoden. Themen sind die Sterilisation im Endbehältnis und die Verwendung alternativer Methoden zur Herstellung steriler Produkte, wenn eine Sterilisation im Endbehältnis nicht möglich ist (z. B. Sterilfiltration oder aseptische Herstellung oder eine Kombination aus beidem). Wenn eine Sterilisation im Endbehältnis nicht möglich ist, muss dafür eine fundierte Begründung geliefert werden. Für neue Produkte beschreibt das Dokument einen geeigneten Entscheidungsprozess und die Anforderungen an einen Antrag auf Zulassung (oder einer Änderungsanzeige) eines neuen (oder aktualisierten) Arzneimittels. Im Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses steht die Risikobewertung und -akzeptanz im Gesamtkontext des Qualitäts-Risikomanagements.
Das neue Dokument ersetzt eine Reihe von EMA-Dokumenten zur Herstellung von sterilen Produkten. Zu diesen Dokumenten gehören: Entscheidungsbäume für die Auswahl von Sterilisationsmethoden für Arzneimittel (die in CPMP/QWP/054/98 beschrieben wurden) und ein zweites Dokument, das auch Leitlinien für die Auswahl von Sterilisationsmethoden für Tierarzneimittel enthält (EMEA/CVMP/065/99). Das neue Dokument gilt sowohl für Human- als auch für Tierarzneimittel.
Die Überarbeitung der Leitlinie begann im Jahr 2015 und im April 2016 wurde ein Entwurf zur öffentlichen Stellungnahme veröffentlicht [3]. Die endgültige Version wurde erheblich erweitert (von 15 Seiten auf 24) und um eine weitere technische Beschreibung ergänzt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wesentlichen Punkte, die im Entwurf noch nicht enthalten waren.
Das Dokument beginnt mit einer Diskussion über die relativen Risiken der Sterilisation im Endbehältnis und der aseptischen Herstellung. In Übereinstimmung mit den meisten einschlägigen Literaturquellen wird die Sterilisation im Endbehältnis der Sterilisation durch Filtration und/oder aseptische Verarbeitung vorgezogen, da ein Sterilisationssicherungswert (SAL) berechnet werden kann. Es ist möglich, den SAL zu validieren und zu kontrollieren. Im Gegensatz dazu ist die Sterilfiltration mit anschließender aseptischer Verarbeitung immer mit einem Risiko auf unbeabsichtigte Kontamination verbunden. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass das EMA-Dokument die Sterilisation im Endbehältnis vorzieht. Es legt aber auch fest, in welchen Fällen eine aseptische Verarbeitung zulässig ist:
An dieser Stelle wurde der ursprüngliche Entwurf erweitert, um die Notwendigkeit einer aseptischen Herstellung näher zu beleuchten. Er enthält auch Entscheidungsbäume, die der Hersteller für die Auswahl der geeigneten Sterilisationsmethode nutzen kann. Die Begründung für die gewählte Methode "sollte eine gründliche Nutzen-Risiko-Bewertung beinhalten und es sollte nachgewiesen werden, dass während der Produktentwicklung der Aspekt der Sterilisation angemessen berücksichtigt wurde".
Auch auf bakterielle Endotoxine geht das überarbeitete Dokument ein. Der Entwurf beschrieb detailliert ausschließlich lebensfähige Organismen (Risiken durch Bakterien und Pilze). Das Endotoxinrisiko wird nun stärker in den Vordergrund gerückt. Viren und Prionen bleiben vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die mit diesen Erregern verbundenen Risiken werden in einem separaten Dokument behandelt [4].
Das EMA-Dokument enthält Hinweise darauf, was für die Erstellung eines Qualitätsdossiers für ein neues oder überarbeitetes Produkt erforderlich ist. Die Dokumentation muss eine Risikobewertung für die Auswahl des aseptischen Herstellungsprozesses enthalten, aus der hervorgeht, warum eine Sterilisation im Endbehältnis nicht möglich ist. Die Bewertung muss auch zeigen, dass die mit der Filtration und der aseptischen Herstellung verbundenen Risiken ordnungsgemäß berücksichtigt und kontrolliert wurden.
In Ergänzung zum Entwurf wird empfohlen, dass bei der Auswahl der Sterilisationsmethode Folgendes berücksichtigt wird:
Diese Daten müssen sich auf sterile Wirkstoffe, Hilfsstoffe und Primärbehältnisse beziehen.
Das EMA-Dokument verweist auf das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.), das nur die im Arzneibuch beschriebenen Methoden zulässt und die Einhaltung der Validierungskriterien für diese Methoden fordert.
Das Ph. Eur. lässt die Anwendung von Temperatur-Zeit-Kombinationen durch die Nutzung eines sog. F0-Konzeptes zu. Der F0-Gesamtwert ist der Letalitätseffekt, ausgedrückt in Minuten Einwirkzeit. Die EMA-Leitlinie gibt an, dass für alle Dampfsterilisationsprozesse ein
F0-Wert ≥ 8 Minuten benötigt wird. Eine Änderung gegenüber der Entwurfsversion ist die Einbeziehung einer minimalen Prozesshaltetemperatur von 110 °C.
Unter Verwendung der Referenzbedingungen aus Ph. Eur. 5.1.1 (≥ 121 °C, ≥ 15 Minuten in allen Einheiten) sind Validierungsdaten für den Sterilisationszyklus im Qualitätsdossier nicht erforderlich. In allen anderen Fällen sind Daten anzugeben. Speziell für das Qualitätsdossier enthält das Dokument eine detaillierte Tabelle für verschiedene Temperaturkombinationen und Keimbelastungen. Von den Antragstellern wird erwartet, dass sie Einzelheiten zu den folgenden Punkten mitteilen:
Eine weitere Ergänzung des Dokuments befasst sich mit feuchter Hitze. F0 < 8 Minuten wird als postaseptische, finale Wärmebehandlung für Formulierungen angewendet, die nicht einem vollständigen Endsterilisationszyklus standhalten können. Hier muss die Keimbelastung
0 koloniebildende Einheiten (CFU)/100 mL betragen. Dieser Schritt sollte nur zur zusätzlichen Sicherheit und nicht zum Ausgleich einer unzureichenden aseptischen Herstellungspraxis verwendet werden. Im Gegensatz zu Sterilisationsprozessen, bei denen eine logarithmische Abtötung von mikrobiellen Challenge-Endosporen (dem biologischen Indikator) erreicht wird, kann es vorkommen, dass die Veränderung der abtötenden Wirkung für diese Art von Prozess bei niedrigeren Temperaturen oder kürzeren Zeiten nicht loglinear ist.
Die Anforderungen an die Heißluftsterilisation sind gegenüber dem Entwurf weitgehend unverändert und hinsichtlich des erwarteten Ergebnisses ähnlich zur Dampfsterilisation (beide Verfahren erfordern einen SAL von 10^-6). Auch die Anforderungen an die Prozessbeschreibung und Validierung sind ähnlich. Unterschreitungen der minimalen Temperatur von 160 °C oder der minimalen Zeit von zwei Stunden erfordern eine Begründung im Qualitätsdossier sowie ergänzende Informationen.
Der Entwurf enthielt keinen Hinweis auf Depyrogenisierung. Das überarbeitete und finalisierte Dokument wurde um einen kurzen Abschnitt ergänzt. Trockene Hitze bei Temperaturen
von > 220 °C für eine validierte Zeit wird oft zur Sterilisierung und auch zur Depyrogenisierung von Glaswaren und anderen hitzebeständigen Behältnis-Materialien, wie z. B. Bördelkappen aus Aluminium, verwendet. Solche Prozesse müssen eine 3-log Reduktion bakterieller Endotoxine aufweisen, und die Verwendung von Endotoxin muss Teil der Gerätevalidierung sein.
Der Abschnitt über ionisierende Strahlung wurde etwas erweitert, obwohl der Detaillierungsgrad weitaus geringer ist als bei der Heißluftsterilisation (denn die dreiteilige Norm ISO 11137 Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Strahlen wird als primäre Leitlinie bezeichnet)[5-7]. Die Standardabsorptionsdosis ist ≥ 25 kGy. Werden andere Dosen verwendet, müssen diese qualifiziert einen SAL ≤ 10^-6 nachweisen. Die zugehörige Dokumentation muss Bestandteil des Qualitätsdossiers sein.
Im Einklang mit aktuellen regulatorischen Bedenken äußert sich auch die neue Leitlinie sehr zurückhaltend hinsichtlich der Gassterilisation: "Die Gassterilisation ist nur zulässig, wenn keine andere Sterilisationsmethode möglich ist". Gas kann nämlich nur Oberflächen sterilisieren. Daraus folgt, dass eine parametrische Freigabe für die Gassterilisation nicht akzeptabel ist.
Im Gegensatz zur Sterilisation durch Hitze oder Strahlung gibt es keine Standardbedingungen, für die die Vorlage einer Begründung oder von Daten im Qualitätsdossier nicht erforderlich ist. Das Dokument schreibt vor, dass für alle Gassterilisationsprozesse Daten zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Zulassungsunterlagen müssen die folgenden Angaben enthalten:
Das einzig beschriebene Gas ist Ethylenoxid, und es wird ein zusätzlicher Hinweis auf seine Toxizität und das Risiko mutagener Verunreinigungen gegeben. Wasserstoffperoxid wird nicht erwähnt. Dies festigt den Status dieses Agens als ein Mittel zur Bio-Dekontamination aber nicht zur Sterilisation. Wasserstoffperoxid dringt nicht in Materialien ein und der Zyklus ist fragil [8].
Der Abschnitt über Sterilfilter wurde erweitert und es werden weitaus detailliertere Angaben zu den Daten gemacht, die für diejenigen Filter benötigt werden, die mit dem Arzneimittel oder den Komponenten des Arzneimittels in Berührung kommen.
Für die Filterrückhaltekapazität bleibt die akzeptierte Grenze bei mindestens 10^7 CFU pro Quadratzentimeter Filterfläche. Der spezifische Verweis auf das Bakterium Brevundimonas diminuta wird jedoch durch die Notwendigkeit ersetzt, den am besten geeigneten Indikator-Mikroorganismus zu bewerten.
Filterporenweiten von 0,22 µm oder weniger sind ohne weitere Begründung zulässig. Zusätzlich zum Entwurf wird die Keimbelastungsgrenze für den endständigen Sterilisationsfilter hinzugefügt: eine Grenze von nicht mehr als 10 CFU/100 ml unter Verwendung der Membranfiltrationsmethode zur Bestimmung der Gesamtkeimbelastung, wie in der Ph. Eur. beschrieben. Die Leitlinie schreibt eindeutig vor, dass als Probevolumen 100 ml zu verwenden sind. Wird ein Vorfilter verwendet, so muss dieser Grenzwert auch für den Vorfilter gelten, es sei denn Abweichungen sind begründet.
Hinweise zu Prozesszeiten wurden hinzugefügt. Erstens sollte die maximale Zeit zwischen dem Beginn der Herstellung der Bulklösung und der Sterilfiltration ohne Begründung nicht länger als 24 Stunden betragen. Zweitens, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden eine steril gefilterte Bulklösung in die Endproduktbehältnisse gefüllt wird, sollte die Sterilfiltration unmittelbar vor dem Abfüllen wiederholt werden und ein zusätzlicher Keimlastungstest durchgeführt werden. Für alle Abweichungen muss auf der Grundlage mikrobieller Testdaten das Risiko bewertet werden und die Abweichungen müssen begründet werden.
Die aseptische Herstellung wird in einem getrennten Abschnitt behandelt und ist kein Sterilisationsschritt. Die Leitlinie hebt zwei Punkte hervor, die ggf. ein Kontaminationsrisiko darstellen: die Standzeit des Produkts und die Prozessdauer. Kritisch gesehen werden Prozesse, die 24 Stunden oder länger laufen. Auch fordert das Dokument, Prozesssimulationen (Media Fills) zu verwenden, um Zeiten für die aseptische Abfüllung zu rechtfertigen.
Wirkstoffe und Hilfsstoffe werden neu in der Leitlinie behandelt. Die Sterilisation und die aseptische Verarbeitung von Wirkstoffen werden als Schritte der Arzneimittelherstellung gesehen. Das Dokument enthält Hinweise für die Auditierung der Hersteller von Wirkstoffen und Hilfsstoffen sowie die für das Qualitätsdossier erforderlichen Informationen.
Ein Abschnitt über Behältnisse stellt eine weitere Neuerung dar. Dieser gilt für den Fall, dass Behältnisse vom Hersteller sterilisiert und dem Arzneimittelhersteller zur Verfügung gestellt werden. Für Audits und Zulassung wird eine Reihe von anwendbaren ISO-Normen genannt. Die für das Qualitätsdossier erforderlichen Informationen umfassen die folgenden Punkte:
In einer weiteren neuen Ergänzung diskutiert die Leitlinie mögliche Kontaminationsrisiken in Bezug auf Primär- und Sekundärverpackungen. Wird ein Sekundärbehältnis verwendet (z. B. ein Sekundärbeutel für Infusionsbeutel oder Blister, die dazu bestimmt sind, die Außenseite des Behälters steril zu halten), so ist zu prüfen, ob sich Auswirkungen auf die Sterilität des Endprodukts ergeben (die dadurch entstehen können, dass Feuchtigkeit zwischen Primär- und Sekundärbehältnis eingeschlossen wird).
Die endgültige Fassung des EMA-Dokuments präsentiert sehr klar die Auffassung der europäischen Behörden zum Thema “Herstellung steriler Produkte”. Es vereinfacht die Anwendung durch die Zusammenführung zweier bestehender Dokumente (Human- und Tierarzneimittel). Im Vergleich zum Entwurf enthält das finale Dokument deutlich mehr Informationen und geht auf Auslassungen bei einem Mangel an empfohlenen Keimbelastungswerten ein.
Insgesamt sollte das Dokument für Hersteller, deren Prozesse robust sind und die regulatorische Trends verfolgen, kaum Überraschungen enthalten. Für andere eröffnet es die Möglichkeit, ihren Prozess zu überprüfen und die Sterilitätssicherung zu verbessern. Den größeren Nutzen haben all diejenigen, die neue Produkte entwickeln. Die frühestmögliche Lektüre des Dokuments "Sterilisation of the medicinal product, active substance, excipient and primary container" hilft, Entwicklungskosten zu minimieren und ein einfacheres Verfahren zur Genehmigung der Zulassung zu ermöglichen.
Dr. Tim Sandle (tim_sandle@bpl.co.uk) ist Leiter der Mikrobiologie im UK Bio Products Laboratory. Darüber hinaus ist Tim Sandle Gastdozent an der School of Pharmacy and Pharmaceutical Sciences der University of Manchester. Er ist Mitglied in mehreren nationalen und internationalen Ausschüssen für pharmazeutische Mikrobiologie und Reinraumkontaminationskontrolle.
Der Artikel „Neues in der EMA-Leitlinie für die Sterilisation von Arzneimitteln, Wirk- und Hilfsstoffen und Primärbehältnissen“ ist ein aus dem Englischen übersetzter Text, der bereits in einer der letzten Ausgaben des GMP-Magazins gmp review veröffentlicht worden ist. gmp review erscheint vierteljährlich in englischer Sprache und wird redaktionell zusammengestellt von einem Expertenteam mit Expertise in allen Aspekten der pharmazeutischen Herstellung und Qualitätskontrolle.
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