01.10.2019 | LOGFILE Leitartikel 36/2019

Interview mit Lea Joos, GMP-Inspektorin und Autorin des neuen GMP-BERATER-Kapitels 16.S "GDP-Inspektionen: häufige Mängel bei der Qualifizierung von Logistikdienstleistern und wie man sie vermeidet" inkl. Leseprobe

GDP-Inspektionen: So vermeiden Sie Mängel

GDP-Inspektionen: So vermeiden Sie Mängel

8 Min. Lesezeit | von Lea Joos

Interview mit GMP-Inspektorin Lea Joos

Frau Joos, Sie stellen in Ihrem neuen Kapitel die 10 häufigsten Mängel bei der Qualifizierung von Logistikdienstleistern vor. Wo bestehen denn aus Ihrer Sicht die größten Defizite?

Sehr häufig wird ein unausgereiftes Qualitätsrisikomanagement für die Qualifizierung von Logistikdienstleistern festgestellt. Das kann schwerwiegende Folgen haben: wenn ein Logistikdienstleister nicht ausreichend qualifiziert wird und Mängel beim Logistikdienstleister im Rahmen der Qualifizierung übersehen werden, kann dies später zu Situationen führen, die die Arzneimittelqualität und –sicherheit in Frage stellen.

Warum wird Risikomanagement in der GDP-Praxis nicht richtig eingesetzt?

Oft liegt es daran, dass ungeeignete Methoden verwendet werden, oder dass man von Annahmen ausgeht anstatt von Fakten. Dazu folgendes Beispiel: Zu Beginn der Zusammenarbeit mit einem Logistikdienstleister kann man noch nicht auf Erfahrungen oder gar Daten zurückgreifen. Daher macht eine FMEA, bei der Auftritts- und Entdeckungswahrscheinlichkeiten mit Zahlen bewertet werden, wenig Sinn. Andere Methoden, wie z. B. eine Fehlerbaumanalyse, sind zu diesem Zeitpunkt besser geeignet. Dennoch sehen wir häufig FMEAs, bei denen die Risiken unterschätzt wurden, so dass diese Risiken bei der Qualifizierung nicht weiter verfolgt wurden.

Gibt es weitere im GDP-Bereich häufig anzutreffende Mängel, die Sie hier ansprechen möchten?

Ja, es gibt in der Tat ein Thema, das immer wieder für lange Gesichter bei den Inspizierten sorgt: die sogenannten „GDP-Zertifikate“. Liegt ein solches Zertifikat vor, wird der Umfang der Qualifizierung gerne reduziert. Man fühlt sich sicher, weil die GDP-Konformität des Logistikdienstleisters ja bereits nachgewiesen wurde.

Wo genau liegt das Problem bei diesen Zertifikaten?

Neben den GDP-Zertifikaten der Überwachungsbehörde gibt es zunehmend GDP-Zertifikate, die von privaten Anbietern ausgestellt werden. Die Kriterien, nach denen eine GDP-Konformität durch einen privaten Zertifizierer bestätigt wird, sind aber nicht allgemein bekannt und leider auch nicht einheitlich festgelegt. Daher kann man diesen Zertifikaten nicht einfach blind vertrauen.

Wann werden GDP-Zertifikate privater Anbieter denn bei einer Inspektion anerkannt?

Damit ein reduzierter Qualifizierungsumfang aufgrund eines GDP-Zertifikats anerkannt werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen müssen das angelegte Regelwerk, die Prüfkriterien und die Eignung und Kompetenz des Zertifizierers bekannt sein. Es geht also um Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Zum anderen muss der Umfang der Verminderung risikobasiert erfolgen und auf einer Bewertung des Regelwerks und des Zertifizierers basieren. Damit wären wir wieder beim Thema Risikomanagement.

Frau Joos, vielen Dank für diesen interessanten Einblick in Ihre Tätigkeit!

Das Interview führte Dr. Doris Borchert, Maas & Peither GMP-Verlag


Leseprobe "GDP-Inspektionen: Häufige Mängel und wie man sie vermeidet"

Ein Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 16.S

In diesem Kapitel beschreibt Inspektorin Lea Joos die häufigsten Mängel bei der Qualifizierung von Logistikdienstleistern und zeigt Strategien auf, wie Sie diese Mängel vermeiden können. Sie bekommen für jeden Mangel eine klare Handlungsanweisung in Form einer Checkliste an die Hand.

Unzureichende Nachvollziehbarkeit

Der Mangelpunkt

Während der Inspektion war nicht nachvollziehbar, warum die Re-Qualifizierung des Logistikdienstleisters Y verspätet durchgeführt wurde. Die Erst-Qualifizierung wurde im Jahr 2014 durchgeführt. Gemäß SOP hätte eine Re-Qualifizierung im Jahr 2017 erfolgen müssen. Die Auditierung erfolgte jedoch erst am 10.10.2018. Eine Abweichungsmeldung wurde nicht erstellt. Ein Auditplan lag nicht vor.

(Ref.: EU-GDP-Leitlinie Kapitel 1.3, 4.1, 4.2 und 7.2)

Das war das Problem

Eine gute Dokumentation sollte es jederzeit ermöglichen, GDP-relevante Vorgänge nachvollziehen zu können.

(EU-GDP-Leitlinie, 4.1)

Woran scheiterte die Nachvollziehbarkeit im vorliegenden Fall?

In der SOP ist eine klare Vorgabe zur Re-Qualifizierung enthalten. Das vorgegebene Zeitintervall von 3 Jahren konnte im Fall des Logistikdienstleisters Y nicht eingehalten werden. In der dazugehörigen Dokumentation zur Re-Qualifizierung des Logistikdienstleisters Y durch den Großhändler war keine Begründung für die verspätete Auditierung enthalten. Eine Abweichungsmeldung wurde nicht erstellt, obwohl das in der SOP vorgegebene Zeitintervall nicht eingehalten wurde.

Eine Abweichung von SOP-Vorgaben ist nicht grundsätzlich ein Mangel. Die Abweichung muss allerdings dokumentiert sein. Der Großhändler hätte die Abweichung zunächst dokumentiert selbst bemerken müssen. Anschließend muss sich der Großhändler auf Ursachensuche begeben. Im vorliegenden Fall mussten im Jahr 2017 nach Angaben des Großhändlers unvorhergesehen zwei zusätzliche Audits für eine Erstqualifizierung und ein Nachaudit durchgeführt werden. Die Auditierung des Logistikdienstleisters Y wurde daher vom Großhändler auf 2018 verschoben. Es fehlte eine entsprechende Risikobewertung und Dokumentation.

So vermeiden Sie diesen Fehler

Zur Veranschaulichung der Anpassung der Auditreihenfolge ist die Erstellung einer Risikoanalyse und -bewertung erforderlich. Dazu muss nicht gleich eine FMEA erstellt werden. Es kann ggf. auch auf weniger aufwändige Werkzeuge zur Risikoanalyse zurückgegriffen werden. Anschließend muss das weitere Vorgehen in der Abweichungsmeldung und ggf. im vorliegenden Auditplan entsprechend angepasst werden.

Ein Auditplan kann für solche Fälle den Überblick vereinfachen. Es kann leichter nachvollzogen werden,

  • welche Audits wann durchgeführt werden sollten,
  • welche Audits wann durchgeführt wurden,
  • welche zusätzlichen Audits notwendig wurden und
  • welche Audits nicht durchgeführt werden konnten und daher verschoben wurden.

Abbildung 1 zeigt, wie ein Auditplan des Großhändlers für 2017 in dem vorgestellten Fallbeispiel hätte aussehen sollen.


Abbildung 1: Beispiel Auditplan

Ihre Checkliste für die Auditplanung


Abbildung 2: Nachvollziehbarkeit der Auditplanung


 
Lea Joos

Autorin

Lea Joos
GMP-Inspektorin der Regierung von Oberbayern
E-Mail: Lea.joos@gmx.de

 
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