28.01.2020 | LOGFILE Leitartikel 04/2020

Eine Zusammenfassung des GMP-Dialogs der GMP-BERATER Tage 2019

Mikrobiologisches Monitoring in nicht-sterilen Bereichen

6 Min. Lesezeit | von Dr. Doris Borchert

 

Auf den GMP-BERATER-Tagen im Oktober 2019 fand der GMP-Dialog zum Thema „Mikrobiologisches Monitoring in nicht-sterilen Bereichen“ statt.

Dabei wurden die Fragen rund um das Thema von Teilnehmern gestellt und von GMP-Inspektor Dr. Franz Schönfeld und Mikrobiologen Dr. Frank Mertens im Rahmen einer lebhaften Diskussion beantwortet.

Für die sterilen Herstellungsbereiche sind die GMP-Anforderungen für das mikrobiologische Monitoring in vielen Regularien festgelegt. Für nicht-sterile Zonen ist kaum etwas definiert. Wie sollte man dort das mikrobiologische Monitoring aufbauen? Wie und wie oft prüft man die Luftqualität? Welche Methoden setzt man ein? Darf man Schnellmethoden einsetzen? Welche Grenzwerte kann man ansetzen?


Ist es sinnvoll, eine Keimbibliothek anzulegen?

Mikrobiologisches Monitoring und Trending ersetzen zunehmend die Einzelprüfungen gegen Grenzwerte. Dabei gewinnt die qualitative Bewertung eine zunehmende Bedeutung: Welche Keime treten häufig auf? An welchen Stellen? Und wo sind die Eintrittsquellen?

Unter diesem Gesichtspunkt kann es durchaus sinnvoll sein, eine Keimbibliothek anzulegen, auch wenn dies nirgends so vorgeschrieben ist. Dabei sollte man sich aber nur auf auffällige Befunde konzentrieren. Eine Keimbibliothek kann auch genutzt werden für die Nährmedienprüfung (Wachstumskontrollen). Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Qualifizierung: Bei der Qualifizierung von Räumen und Wasseranlagen wird der mikrobiologische (Ausgangs-)Status ermittelt. Veränderungen lassen sich aber nur erkennen, wenn das Keimspektrum bekannt ist. Auch hier leistet eine Keimbibliothek nützliche Dienste.


Was tun, wenn es Abweichungen beim Monitoring gibt, die Produkte aber in Ordnung sind?

Die zulässigen Keimzahlen im Endprodukt sind für nicht sterile Arzneimittel im Arzneibuch festgelegt. Die passenden Umgebungsbedingungen, mit denen der geforderte Keimstatus im Produkt sicher erreicht wird, muss man selbst festlegen. Da jedes Produkt und jede Produktionsstätte anders sind, gibt es herfür keine allgemein gültigen Vorgaben.

Treten Abweichungen im Monitoring auf, ohne dass der Keimstatus im Endprodukt beeinträchtigt wird, sind vermutlich die selbst festgelegten Grenzwerte zu streng gefasst. Hier liegt in der Praxis bei den Entscheidungsträgern oft zu wenig Fachkompetenz vor. Aus falsch verstandenem Risikobewusstsein wird dann oft zu viel des Guten getan.

In diesem Fall raten die Experten dazu, die vorhandenen Monitoringdaten auszuwerten und auf Grundlage der ohnehin regelmäßig durchzuführenden Trendanalyse eine Risikoanalyse durchzuführen. Darauf aufbauend kann ein neues Konzept erstellt werden, in dem Grenzwerte, Probenahmestellen und Untersuchungsfrequenzen risikobasiert festgelegt bzw. angepasst werden.

Für die Risikoanalyse gilt:

  • Der Schweregrad ist unveränderlich (hier: Auswirkung des mikrobiellen Befalls)
  • Die Eintrittswahrscheinlichkeit kann durch Präventivmaßnahmen verringert werden. Das bedeutet hier: die Wahrscheinlichkeit eines mikrobiellen Befalls kann z. B. Eingangskontrolle von Rohstoffen und angemessene Personalhygiene verringert werden.
  • Die Entdeckungswahrscheinlichkeit kann durch das Monitoring erhöht werden.

Aus Schweregrad S, Eintrittswahrscheinlichkeit A und Entdeckungswahrscheinlichkeit E errechnet sich die Risikoprioritätszahl RPZ = S*A* E.

Wird die Eintrittswahrscheinlichkeit durch (zusätzliche) präventive Maßnahmen verringert, kann der Umfang des Monitorings reduziert werden.

Wie Dr. Franz Schönfeld aus seiner Inspektionspraxis berichtete, wird die Risikoanalyse, insbesondere die FMEA, in der Praxis oft nicht richtig angewendet. So wird z. B. zu wenig danach gefragt, welches Ziel die Maßnahmen haben (Ziel ist der Keimstatus im Produkt!). Außerdem werden die wahren Risiken oft zu wenig beachtet. So wird z. B. kaum unterschieden, ob es sich um die Herstellung von flüssigen, halbfesten oder festen Arzneiformen handelt, sondern es wird alles nach dem gleichen Schema abgehandelt.


Wann soll die Probenahme erfolgen: im Betriebs- oder im Ruhezustand?

Auch hier gilt es, das Ziel der Maßnahmen im Auge zu behalten, nämlich den Keimstatus im Endprodukt. Um beurteilen zu können, ob dieser durch den Keimstatus der Produktionsumgebung negativ beeinflusst wird, muss die Probenahme im Betriebszustand, also währen der laufenden Produktion, erfolgen.


Ist ein Personalmonitoring sinnvoll für eine Wirkstoffherstellung von Zytostatika mittels Isolatortechnologie?

Bei der Wirkstoffherstellung kann der Monitoringaufwand im Vergleich zur Arzneimittelherstellung reduziert werden, da der Wirkstoff homogen ist und die Proben daher repräsentativ sind. Häufig stellen Auftraggeber überzogene und nicht gerechtfertigte Anforderungen – auch hier ist mangelnde mikrobiologische Fachkompetenz häufig der Grund.


Sind Overalls in Klasse D erforderlich?

Nach Ansicht der Experten ist diese Anforderung – zumindest im europäischen Raum - übertrieben. In anderen Kulturkreisen und Ländern, in denen tägliches Duschen nicht zum allgemeinen Hygieneverständnis zählt, kann das Tragen von Overalls in Klasse D allerdings sinnvoll sein. 


Sollte man für die Herstellung nicht steriler Arzneimittel eine Raumklasse D verwenden?

Die Reinheitsklasse D mit allen Konsequenzen bzgl. Klassifizierung, Qualifizierung und Monitoring für die Herstellung nicht-steriler Arzneimittel heranzuziehen, ist sicherlich überzogen. Es kann allerdings – je nach Arzneiform – sinnvoll sein, die Monitoringparameter „an Klasse D angelehnt“ zu definieren. Auch hier ist kompetentes Risikomanagement gefragt!


Muss ein Arzneimittel, das sporenfrei sein soll, gleichzeitig steril sein?

Diese Frage kann klar mit „Nein“ beantwortet werden: „sporenfrei“ heißt nicht „steril“.


Ist für den Nachweis spezifizierter Keime eine bestimmte Methodik vorgeschrieben?

Für das Umgebungsmonitoring bei nicht sterilen Arzneimitteln ist die Methodik für den Nachweis spezifizierter Keime nicht vorgegeben. Insbesondere bei Problemfällen ist oftmals Detektivarbeit angesagt. Hier ist Fachkompetenz gefragt – und damit auch die ganze Bandbreite mikrobiologischer Methoden.


Fazit:

  • Die Festlegung von Parametern für das mikrobiologische Monitoring im Bereich der nicht sterilen Arzneimittelherstellung lässt den Verantwortlichen große Freiheit – und setzt damit solides mikrobiologisches Fachwissen voraus. In der Praxis ist dieses vor allem bei Entscheidungsträgern oftmals nicht vorhanden. Die Folge sind häufig zu strenge Grenzwerte, überhöhte Probenahmefrequenzen und unnötig viele Probenahmestellen.
  • Überzogene Anforderungen werden auch häufig von Auftraggebern gestellt. Auch hier spiegelt sich die Mischung aus mangelnder Fachkompetenz und Risikoscheu wieder.
  • Auf der anderen Seite zeigt sich mangelndes Risikoverständnis bei der Durchführung von Risikoanalysen. So wird häufig „nach Schema F“ vorgegangen, wobei die eigentlichen Risiken, wie z. B. die Art der hergestellten Arzneiform, außen vor bleiben.
  • Generell herrscht große Unsicherheit darüber, was richtig und wieviel ausreichend ist, um den mikrobiologischen Status nicht steriler Arzneimittel sicher zu stellen.

 
Doris Borchert

Autorin

Dr. Doris Borchert
Senior-GMP-Expertin und Chefredakteurin bei GMP-Verlag Peither AG
E-Mail: doris.borchert@gmp-verlag.de

 

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