Eine Sachkundige Person (Qualified Person, QP) in der pharmazeutischen Industrie trägt die Verantwortung für die Einhaltung arzneimittelrechtlicher Vorschriften für die Bereiche Herstellung, Prüfung und Freigabe von Arzneimitteln vor dem Inverkehrbringen der Arzneimittelchargen. Sie zeichnet sich verantwortlich für eine lückenlose Dokumentation unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Grundlagen. Dafür haftet sie auch persönlich. Welche Qualifikation eine Sachkundige Person nachweisen muss, ist im AMG § 15 Sachkenntnis beschrieben. Mit welchen Stolpersteinen, Problemen oder schwierigen Situationen kann eine QP im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert werden? Welche betriebswirtschaftlichen Forderungen können an sie herangetragen werden? Was tun in Situationen, in denen das Treffen von Entscheidungen zur Gratwanderung wird?
Eine QP übt vielfältige Aufgaben über das gesamte pharmazeutische Qualitätssicherungssystem hinweg aus. Idealerweise sollte sie in der Organisation so eingebunden sein, dass sie komplett frei entscheiden kann. In größeren Unternehmen untersteht sie dabei meist der Leitung des Qualitätsmanagements in autonomer Funktion. Sie kann auch auf gleicher Stufe angesiedelt sein wie die Qualitätssicherung oder personenidentisch mit der Leitung der Qualitätskontrolle. Als externe QP, die in der Beratung für Firmen tätig wird, ist sie in der Regel direkt der Werksleitung unterstellt. Oft handelt es sich dabei um mittelständische oder kleine Unternehmen. Zunehmend schaffen die Unternehmen „Quality Units“, in denen dann auch die QP angesiedelt ist. Darüber steht in den meisten Fällen direkt die Geschäftsführung. Klassisch ist die Trennung in zwei Entscheidungsstränge: ein Bereich der Personalentscheidungen trifft und ein Bereich, der für arzneimittelrechtliche Entscheidungen zuständig ist. Hier würde die QP stehen.
Auf diese Frage gibt es eigentlich keine gute und zufriedenstellende Antwort. Unternehmen haben in der Regel eine Directors & Officers Versicherung (D&O-Versicherung), über die Führungskräfte z. B. bei Fehlentscheidungen abgesichert werden. Für die QP greift diese Versicherung allerdings nicht. Ein Teilnehmer berichtete von einer Lösung im eigenen Unternehmen, in dem die QP über eine Betriebshaftplicht mitversichert ist und auch namentlich genannt ist. Eine Expertin berichtete, dass die Diskussion in einem Workshop der QP Association gezeigt hat, dass es meist ausreicht, wenn auf die gemeldeten QPs der Firma verwiesen ist. Dies bedingt jedoch eine Festanstellung innerhalb eines Unternehmens. Die Police muss dann nicht bei jeder QP Meldung geändert werden. Eine QP sollte sich immer genau erkundigen, welche Variante im Unternehmen zum Tragen kommt und wie sie in diesem System versichert ist. Wichtig ist natürlich, dass alle zivilrechtlichen Aspekte abgedeckt sind.
Eine externe QP muss sich allerdings selbst in Form einer „Haftpflichtversicherung im Rahmen von wissenschaftlichen und gutachterlichen Tätigkeiten“ versichern. In einem „Quality-Agreement“ zwischen der externen QP und dem Unternehmen sollte genau beschrieben sein, wer im Schadensfall wofür haften wird.
„Sehr, sehr selten“, so die einhellige Meinung innerhalb des Teilnehmerkreises und unter den Expertinnen. Genannt wurde lediglich ein bereits Jahrzehnte zurückliegender Fall von verunreinigten Blutprodukten mit HIV. Dahinter steckte damals aber auch kriminelle Energie. Die Blutprodukte wurden soweit verdünnt, dass die HIV-Erreger unterhalb der Nachweisgrenze lagen. Ein Teilnehmer erinnerte sich außerdem an einen Vorfall bei Blutprodukten in Österreich, bei dem die QP eine Gefängnisstrafe antreten musste.
Wie soll eine QP reagieren, wenn sie eine Marktfreigabe ohne Zugang zu den Zulassungsunterlagen ausführen soll oder die Aktualität der Zulassungsunterlagen nicht einschätzen kann? Wie stellt man sicher, dass man immer die aktuellen Unterlagen bekommt?
Beispielhaft wird von einem Fall berichtet, in dem ein Auftragshersteller ein Produkt in der „falschen Landesaufmachung“ freigegeben hatte, da er keinen direkten Zugang zu den Zulassungsunterlagen hatte. Die Argumentation, dass aufgrund der vertraglichen Regelungen die Verantwortung beim Auftragshersteller liege, wurde vom Ministerium nicht akzeptiert. Seitens der Behörde wurde klar ein direkter Zugriff der QP auf die Zulassungsunterlagen gefordert, da die QP ihrer Funktion sonst nicht nachkommen kann. Wenn trotzdem eine Freigabe durch die QP erfolgt, so könnte dies aus Sicht der Behörden ein Grund sein, die Herstellungserlaubnis zum Ruhen zu bringen.
In globalen Unternehmen ist es in der Regel so, dass die Zulassungsunterlagen in einer Datenbank zur Verfügung stehen. Bei der Freigabe wird über die „Site Compliance“ sichergestellt, dass die Spezifikationen und das Herstellungsverfahren übereinstimmen. Dennoch ist es sehr schwierig – trotz eines strengen Change Control-Verfahrens – die Inhalte aller Dokumente (genannt wurden z. B. normative russische Dokumente oder japanische Antragsformulare) zu harmonisieren. Es ist daher unerlässlich, im Quality Agreement die Erklärung aufzunehmen, dass der Auftraggeber in der Pflicht ist, umgehend über jede Änderung zu informieren. Eine Teilnehmerin berichtete, dass es trotz Zugriff auf die Zulassungsunterlagen vorkommen kann, dass oft auch der Auftraggeber nicht im Besitz aller nötigen Informationen ist und diese somit auch nicht weitergeben kann. Aus Sicht der Behörde ist es verständlich, dass inhaltlich aufgrund unterschiedlicher Sprachen nicht alles geprüft werden kann. Dann sollte aber zumindest eine Prüfung über die Versionierung oder das Ausgabedatum möglich sein. Dennoch ist es in der Realität schwierig, alle Änderungen systematisch zu verfolgen, so die einstimmige Meinung der Teilnehmerrunde.
Externe QPs werden von Gesetzes wegen nicht ausgeschlossen. Inspektoren werden sich den entsprechenden Vertrag vorlegen lassen. Es muss genau definiert sein, wie oft die externe QP vor Ort ist, bzw. wieviel Zeit sie für das Unternehmen aufbringt. Außerdem wird die Frage zu beantworten sein, für welche weiteren Unternehmen sie noch tätig ist (Auftraggeber-Liste) und wieviel Zeit dort investiert wird. Dabei finden z. B. auch die Reisezeiten und die Anwesenheitszeiten Berücksichtigung. Die Frage „Ist für all diese Tätigkeiten genügend Zeit?“ muss eindeutig geklärt sein und kann auch zur Ablehnung einer externen QP führen, wenn dies offensichtlich nicht der Fall ist. Die QP und ihre Qualifikation für die ausgeführte Aufgabe müssen von der Behörde anerkannt sein. Wesentliche Änderungen im Aufgabenumfang einer externen QP oder im Umfeld des Unternehmens müssen der Behörde gemeldet werden.
Teilzeitarbeit, in Abhängigkeit vom Umfang der Anforderungen des Unternehmens, kann im Einzelfall möglich sein. Auch für mehrere QPs, die in Teilzeit in einem Betrieb arbeiten, gibt es keine Pauschallösung. Es muss immer die jeweilige Situation innerhalb des Unternehmens geprüft werden und ist somit eine Einzelfallentscheidung. Zwei Expertinnen, beide als QP im Jobsharing tätig, berichteten von ihrer Lösung: Die Produkte zur Freigabe wurden alphabetisch jeweils einer QP zur Freigabe zugeordnet, eine gegenseitige Vertretung war ebenfalls schriftlich festgehalten.
Grundsätzlich gilt für alle europäischen Länder der EU-GMP-Leitfaden, der in jedem Land in nationales Recht überführt wird. In Deutschland finden wir diese Vorgaben „grob“ im AMG wieder und „detaillierter“ in der AMWHV. Auf diesem Wege können Länderregelungen unterschiedlicher Art entstehen. Länderspezifische Unterschiede sind den Expertinnen jedoch nicht bekannt.
Verwiesen wird auf die Anforderungen an eine QP gemäß dem EU-GMP-Leitfaden und der AMWHV. Diese sind zwar allgemein gehalten, aber sie muss z. B. über Marktreklamationen und Inspektionsergebnisse informiert sein und sicherstellen, dass die Prozesse der Validierung und Qualifizierung korrekt durchlaufen wurden. Sie muss z. B. in die Autorisierung von relevanten SOPs eingebunden sein oder in die Freigabe- und Informationswege. Nur durch diese „Einbindung“ hat eine externe QP überhaupt die Möglichkeit zu intervenieren, wenn etwas nicht planmäßig läuft.
Zum Ort der Dokumentenprüfung – ob von zu Hause oder vor Ort im Unternehmen oder gar in einem anderen Land – gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten:
Eine Herstellungserlaubnis gilt für die darin aufgeführte Betriebsstätte. Wenn die QP die Dokumentenprüfung außerhalb der Betriebsstätte durchführt, so hat sie „per se“ für diese Betriebsstätte keine Herstellungserlaubnis. Dies wird von den Behörden teils unterschiedlich gesehen. Geschildert wird dazu folgender Fall: Ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland und einer externen QP, die in Italien lebt, wollte das Freigaberegister in Italien führen. Dies wurde von einer Behörde so nicht akzeptiert mit der Begründung, dass der „Sitz“ des Freigaberegisters und aller Dokumente in der Betriebsstätte sein soll, die sich in Deutschland befindet. Der zuständige Inspektionsbereich liegt in Deutschland und natürlich auch die Herstellungserlaubnis des Unternehmens. Eine Dokumentation der Freigabe in Italien wurde nicht akzeptiert. Dies wird auch für andere Fälle von „Homeoffice“ so gesehen, denn letztendlich müssen die Dokumente in der Betriebsstätte sein und somit das Freigaberegister von der QP auch in dieser geführt werden. Es stellt sich also die Frage nach dem Sitz des Registers, denn dies ist der korrekte Ort für die Freigabe. Dieses Szenario wurde von einem Teilnehmer des Dialogs bestätigt. Er durfte das Freigaberegister nicht im „Homeoffice“ führen, sondern musste diese Tätigkeit korrekterweise in die Betriebsstätte verlegen. Die Arbeit im Homeoffice in Kombination mit ausreichender Präsenzzeit im Unternehmen zur Durchführung der Freigabe, stellt hingegen kein Problem dar.
Pauschal lässt sich dazu sagen: „Eine QP ist eine QP.“ Da können auch keine Abstriche gemacht werden, indem sie z. B. nur für technische Freigaben verantwortlich ist. Auch sie muss bei den Behörden gemeldet werden und eingearbeitet sein. Vor allem für die endfreigebenden QPs, die Entscheidungen verifizieren müssen, ergibt ein anderer Entscheider als eine gemeldete QP keinen Sinn. Bei der Endfreigabe muss die QP nämlich sicherstellen, dass die in der Entscheidungskette vorangehenden QPs ihre Aufgabe entsprechend des notwendigen Umfangs wahrnehmen. Hier würde also nicht nur die Behörde intervenieren, sondern auch die freigebende QP in ihrem ureigenen Interesse. Eine „QP-Light“ wäre weder zielführend noch zufriedenstellend.
Dies ist vermutlich ähnlich zu sehen wie eine externe QP, zumindest aus arzneimittelrechtlicher Sicht. Prinzipiell gelten aber die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei einer externen QP: Sie muss eingearbeitet sowie bei den Behörden angezeigt sein und kann nicht einfach so innerhalb eines Tages von A nach B versetzt werden. Es wird angenommen, dass die Verträge mit einer Leiharbeitsfirma nicht ausreichen. Immerhin geht es um die persönliche Verantwortung der QP. Es stellt sich daher generell die Frage, ob es QPs überhaupt über Leiharbeitsfirmen gibt. Aus arbeitsrechtlicher- und versicherungstechnischer Sicht wäre eine solche Konstellation schwierig. Den Expertinnen sind derartige Fälle nicht bekannt.
Es wird festgestellt, dass der Druck auf die QP nicht immer nur aus der Geschäftsleitung kommt. Er kommt auch aus der Verpackung, dem Labor, seitens der Logistik, also oft von allen Seiten und die QP sitzt mittendrin. Die QP soll zwar frei entscheiden, spürt aber genau die Erwartungshaltung aus dem Umfeld. Wie kann man dem begegnen? Als Möglichkeit zum Umgang mit dem so entstehenden Druck kann es helfen, Informationen, sprich Daten, einzufordern, die zur Entscheidungsfindung hilfreich sind. Anhand von Daten kann dann eine begründete Entscheidung getroffen werden, die für alle nachvollziehbar wird, da eine genaue Datenanalyse vorgenommen wurde. Eine solche Argumentation führt bei allen Beteiligten oft zu einem besseren Verständnis für die entsprechende Situation. In großen Unternehmen kann z. B. auch die Global QA-Organisation die Forderungen der QP bekräftigen, wenn sich an der Erwartungshaltung seitens des Umfelds nichts geändert hat. Es gilt, dass die QP ihre Entscheidungen unabhängig von der Geschäftsleitung treffen soll. Dies sollte auch in der Stellenbeschreibung der QP erfasst sein. Dies ist zwar eine Absicherung, nimmt aber den Druck nicht von einer QP. Hier fiel der Begriff der Qualitätskultur. Der CEO sollte in die Pflicht genommen werden, für eben eine solche Sorge zu tragen.
Die QP, die ein Produkt für den Markt freigibt, trägt die Verantwortung und ihr obliegt somit auch die Entscheidung für oder gegen eine Freigabe. Wenn die zur Marktfreigabe freigebende QP z. B. mit der Bewertung von Abweichungen durch die QP des Lohnherstellers nicht einverstanden ist, geht das Ganze zurück zum Lohnhersteller, bis es eine adäquate Lösung bzw. Bewertung gibt.
Meist handelt es sich dabei um „Altlasten“: Vorgaben, die in früheren Zeiten so akzeptiert wurden. Wenn in der entsprechenden Zulassung festgehalten ist, dass der Wirkstoff nicht analysiert werden muss, dann wird dies von der Behörde so akzeptiert. Steht jedoch in den Zulassungsunterlagen, dass der Wirkstoff analysiert werden muss und dieser – warum auch immer – nicht analysierbar ist, sollte man auf jeden Fall Kontakt mit der Zulassungsbehörde aufnehmen. Die QP sollte unter diesen Umständen nicht einfach eine Freigabe erteilen, weil das schon jahrelang so gemacht wurde. Der pharmazeutische Unternehmer hat eine entsprechende Erklärung zur Analyse des Wirkstoffs abgegeben, welche er auch einhalten muss.
Es gibt ein sechsseitiges Dokument der EMA mit dem Titel „EMA's handling of information from external sources disclosing alleged improprieties concerning EMA activities related to the authorisation, supervision and maintenance of human and veterinary medicinal products“. Genannt wird darin eine Stelle, an die man sich mit Fragen und Informationen zu Unkorrektheiten wenden kann. Diese Anfragen werden vertraulich behandelt. Derzeit wird wohl eine Organisationsform aufgebaut, die dann entsprechend agieren könnte. Etwas Konkretes gibt es derzeit noch nicht, es soll aber kommen.
Sabine Rabus
Redaktion
GMP-Verlag Peither AG, Schopfheim
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