Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 1.E.3.3
Es ist sinnvoll, sich vor allem auf messbare Größen zu fokussieren. Daneben können auch reine Beobachtungen durch Mitarbeiter (z. B. auffälliges Verhalten von Ausgangsstoffen bei der Bearbeitung) oder subjektive Einschätzungen der Mitarbeiterqualifikation von Bedeutung sein. Abbildung 1.E-11 gibt eine Übersicht über die gebräuchlichsten Informationsquellen bei der Bearbeitung der Abweichungen. Primäre Informationsquellen stehen im direkten Zusammenhang mit dem Fehler. Neben diesen Daten, z. B. aus der Chargenproduktion, können auch sekundäre Informationsquellen genutzt werden, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Fehler stehen. Hierzu zählen z. B. Entwicklungsberichte, Validierungsberichte, Product Quality Reviews oder die Änderungshistorie sowie auch Meldungen zu unerwünschten Nebenwirkungen oder Fachliteratur.
Häufige Informationsquellen bei der Datensammlung | |
Primäre Informationsquellen |
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Sekundäre Informationsquellen |
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Abbildung 1.E-11 Beispiele für Informationsquellen bei der Datensammlung
Um eine möglichst strukturierte Vorgehensweise sicherzustellen, sollte man vorab festlegen, welche Methoden angewendet werden. Diese können unterschiedlich sein und sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen. Eine Möglichkeit besteht z. B. in einem Vergleich von tatsächlichen und geplanten Aktionen oder Zuständen. Auch Prozessflussdiagramme können hilfreich sein. Über Formblätter oder elektronische Formulare können die Daten unterschiedlicher Bereiche gezielt gesammelt werden und stehen so zur weiteren Bewertung zur Verfügung. Grundsätzlich sollte die Perspektive bereits bei der Datensammlung möglichst holistisch sein, d. h. man sollte sich nicht nur auf das Ereignis fixieren, sondern auch andere mögliche Bereiche berücksichtigen.
Ergebnisse außerhalb der Spezifikation (OOS) in der Qualitätskontrolle führen nach Ausschluss eines Laborfehlers zu einer Untersuchung des Fertigungsprozesses. Analog zur Untersuchung im Laborbereich empfiehlt es sich auch hier, die Überprüfungen anhand von Checklisten durchzuführen. Abbildung 1.E-12 zeigt ein Beispiel für eine solche strukturierte Datensammlung. In dem zugrunde liegenden beispielhaften Fall wurde unmittelbar vor dem Einwaageprozess durch das Einwaagepersonal festgestellt, dass die angelieferten Gebinde außen nicht ausreichend abgereinigt waren.
Fragestellung | geplanter Zusatand | tatsächliche Situation |
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Alle Gebinde sollten von außen ausreichend gereinigt sein, bevor sie in die Einwaage im Produktionsbereich angeliefert werden. | Bei der Einwaage im Produktionsbereich wurden verunreinigte Gebinde von Ausgangsmaterialien festgestellt. |
Absaugsystem steht zur Verfügung |
Abreinigung (Absaugung) musste in der Einwaage erfolgen |
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Abreinigung durch Mitarbeiter des Lagerbereichs |
keine Reinigung im Lagerbereich durch das Lagerpersonal |
Kontrolle bei Übernahme durch Produktionslogistik Lager und Produktionslogistik sind in den anderen Schichten getrennt organisiert. |
keine effektive Kontrolle durch Produktionslogistik Mitarbeiter des Lagers hat wiederholt auch den Produktionslogistikteil erledigt. |
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letzte Kontrolle durch Mitarbeiter der Einwaage in der Produktion vor Verarbeitung | festgestellt durch Mitarbeiter der Einwaage in der Produktion | |
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bei Schichtbeginn |
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Beobachtung zum 4. Mal aufgetreten (13. November 2019, 09. Dezember 2019, 16. Dezember 2019), jeweils Spätschicht |
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Absaugung im Bereich Bereitstellung des Lagers |
rein visuelle Prüfung mit nachfolgender Absaugung |
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Bereich Bereitstellung Lager | Einwaage |
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Gegenprüfung zeigt unzureichende Abreinigung | visuelle Prüfung hat kein ausreichendes Ergebnis gebracht |
unabhängige Funktionen mit unterschiedlichen Mitarbeitern | keine Gegenprüfung möglich, da Mitarbeiter schichtbedingt beide Funktionen erfüllte | |
Vorgabe für die Durchführung liegt vor | Um beide Aufgaben wahrzunehmen, reduzierte der Mitarbeiter die Reinigungsintensität. |
Abbildung 1.E-12 Beispiele für eine einfach strukturierte Datensammlung
Das Ereignis sollte nach der Datensammlung mit den etablierten Einschätzungen im Risikomanagementsystem (z. B. Fehlerart) verglichen werden. Sollte ein solches Ereignis bisher nicht berücksichtigt worden sein, ist der Risikomanagementprozess neu anzustoßen. In jedem Fall sollte überprüft werden, in wie weit das Auftreten der Abweichung zu einer Neubewertung eines spezifischen Risikos im Risikomanagementsystem führen muss. Hierzu werden beispielsweise im Sinne einer FMEA die Faktoren (Schwere des Fehlers, Auftretenswahrscheinlichkeit und Entdeckungswahrscheinlichkeit) mit den nun vorliegenden Informationen überprüft und gegebenenfalls korrigiert.
Im Falle einer Abweichung in der Produktion muss bereits frühzeitig entschieden werden, ob oder bis zu welcher Stufe eine Weiterverarbeitung von Zwischenstufen möglich sein kann. Dabei werden sowohl die Risiken für das Produkt als auch für die Umgebung sowie Maschinen und Anlagen und andere Prozesse berücksichtigt. Sollte das betroffene Zwischenprodukt aus Stabilitätsgründen vor Abschluss der Untersuchungen weiterverarbeitet werden müssen, so sollte dies durch die Verantwortlichen von Herstellung und Qualitätskontrolle bzw. durch die Sachkundige Person zuvor genehmigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob durch das betroffene Zwischenprodukt ein Risiko für die übrige Produktion entstehen kann, z. B. durch eine erhöhte mikrobiologische Belastung aufgrund von verlängerten Standzeiten.
Dieses Webinar gibt einen Einblick in ein realisiertes Innovations-Projekt bei Fresenius Kabi mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
Christoph Köth, Director Innovation, präsentiert das Projekt SmartInput in einem Vortrag und anschließender Diskussion. Mithilfe des Projekts können Abweichungen direkt an der Produktionslinie in Tablet-Computer (SmartDevices) eingegeben werden.
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