Unabhängig davon, ob Sie die regulatorisch geforderten PDE-Gutachten selbst erstellen oder durch externe Toxikologen erstellen lassen, sollten Sie die Antworten auf diese beiden Fragen kennen: Was muss ein PDE-Gutachten enthalten? Und worauf achten GMP-Inspektor*innen?
Die folgende Übersicht zeigt, welche konkreten Anforderungen nationale und internationale behördliche Dokumente an die Ermittlung von PDE-Werten und an PDE-Gutachten stellen.
EMA PDE-Guideline
(Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities, EMA/CHMP/ CVMP/ SWP/169430/2012, 2014)
- Die Identifizierung des "kritischen Effekts" (die schädlichste Wirkung einer Substanz) sollte auf einer umfassenden Literaturrecherche basieren.
- Die Suchstrategie und die Ergebnisse der Suche müssen eindeutig dokumentiert werden.
- Diskussion über die Auswahl der kritischen Effekte und deren Referenzdosis (No Observed Adverse Effect Level, NOAEL, Lowest Observed Adverse Effect Level, LOAEL)
- Tier- und Humanstudien sollten mit der Originalreferenz belegt und hinsichtlich ihrer Qualität (Studiendesign, Befundbeschreibung, Genauigkeit des Berichts etc.) überprüft werden.
- Die PDE-Bestimmungsstrategie sollte eine klare Begründung für die Sicherheitsfaktoren liefern, die bei der Ableitung der PDE-Werte angewendet wurden.
- Um den GMP-Inspektoren einen Überblick zu geben, sollte die erste Seite eines PDE-Gutachtens eine Zusammenfassung des Bewertungsprozesses sein (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1 Beispiel für eine Übersichtsseite im PDE-Gutachten (Quelle: EMA-PDE-Guideline)
Aide Mémoire 07120104 der ZLG: Überwachung von Arzneimittelherstellern (2019)
(Formular 071201_F01_02, optionale Berichtsvorlage)
Vermeidung von Kreuzkontamination
Wissensbasierte toxikologische Bewertung der verwendeten wirksamen Substanzen:
- Grundlage: Toxikologische Bewertung gem. EMA-PDE-Guideline und diesbezügliches Q&A-Papier
- Berechnung der PDE-Werte
- Ausgangsdatenbasis und -validität, Rechercheumfang, fachliche Kompetenz, Dokumentation des Verfahrens
- Identifizierung kritischer Effekte
- Ermittlung der NOAEL(s) bzw. LOAEL(s)
- Ermittlung der Sicherheitsfaktoren (auch in Abhängigkeit von Ausgangswerten)
- Berechnungsverfahren der PDE-Werte
- für jede Applikationsform und jeden kritischen Effekt ist eine PDE-Berechnung durchzuführen
- Auswahl des niedrigsten PDE-Werts als Grundlage für Berechnung des Akzeptanzkriteriums („Residual limit“) für Reinigungsvalidierung
- analytische Fähigkeit zur Bestimmung von Restmengen im errechneten Bereich
- Qualitätsrisikomanagement zur Bewertung und Kontrolle des Risikos und der demnach zu definierenden Maßnahmen
Aide Mémoire 07123001 der ZLG: Inspektion der Reinigungsvalidierung und –verifizierung (2023)
Mindestens folgende Informationen sollten aktuell und leicht verfügbar sein:
- Übersicht der potenziellen Abbauprodukte der Wirkstoffe und ggf. Hilfsstoffe sowie eine Bewertung/Einschätzung zum Gesundheitsrisiko (z. B. Literaturrecherche)
- für jeden gesundheitlich potenziell relevanten Rückstand:
- das zugrunde gelegte gesundheitsbasierte Expositionslimit (PDE-Wert):
- ggf. getrennt für verschiedene Expositionsrouten (sofern Folgeprodukte hergestellt werden, die auf verschiedenen Wegen verabreicht werden)
- ggf. unter Berücksichtigung pharmakologischer Effekte, die als Verunreinigung im Folgeprodukt zu einer unerwünschten Wechselwirkung mit dem Folgeprodukt führen können
- inkl. Referenz-Nr. des toxikologischen Gutachtens
- Eine Übersicht der Folgeprodukte mit Kontaminationsrisiko bei gemeinsamen produkt-berührenden Oberflächen inkl. Rückstandsgrenzwerten:
- maximale Tagesdosis
- Art der Verabreichung (peroral, parenteral, pulmonal usw.)
- kleinste Chargengröße, in der das Folgeprodukt hergestellt wird
- Im Falle der Auftragsherstellung hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer Zugang zu den toxikologischen und pharmakologischen Daten zu gewähren!
Am besten Regelung im Verantwortungsabgrenzungsvertrag!
- Bei der Ermittlung eines ‚worst case‘-Rückstandes dürfen die toxikologischen Risiken eines Vorproduktes und seine Reinigbarkeit nicht gemeinsam betrachtet werden!
PIC/S Aide-memoire for Inspection of Health Based Exposure Limit (HBEL) Assessments and Use in Quality Risk Management (PI 052-1, 2020)
Hinweis: Health Based Exposure Limit (HBEL) ist der gesundheitsbezogene Grenzwert, der als PDE-Wert anzugeben ist.
Ein HBEL-Bewertungsbericht sollte enthalten:
- Eine Zusammenfassung der Entscheidungen, eine Begründung und den endgültigen HBEL-Wert (= PDE-Wert)
- Datum und Unterschrift von der/den Person(en), die die Bewertung durchgeführt hat/haben, einen Lebenslauf oder auf diesen verweisen.
- Umfassende Literaturrecherche – eine klar dokumentierte Suchstrategie
- Ergebnisse der Suche und Kommentar zu den Ergebnissen
- Identifizierung der kritischen Effekte und Ausgangspunkte, die in den HBEL-Berechnungen verwendet werden – nicht-klinische Daten und klinische Erfahrung; eindeutige Begründung für die Zuordnung von Sicherheitsfaktoren
Die in der Zusammenfassung festgehaltenen Schlussfolgerungen sollten aus spezifischen Inhalten im Dokument abgeleitet sein. Ohne eindeutige Begründung dürfen keine Inhalte ausgeschlossen werden.
Gibt es eine plausible Erklärung, warum die verwendete Suche als am besten geeignet angesehen wurde?
Berücksichtigt der Bericht die durch die Suche gefundenen Daten? Werden auch die gesuchten Aspekte, zu denen keine produktbezogenen Informationen gefunden wurden, erfasst, z. B. Karzinogenität?
Normalerweise wird der niedrigste ermittelte PDE-Wert verwendet. Wenn nicht, sollte dies begründet werden. Wenn Sie diesbezüglich unsicher sind, sollten Sie eine Expertenmeinung einholen, falls die Kontrolle des Produkts in Mehrzweckanlagen ein hohes Risiko darstellt.
Eine Begründung für die Auswahl der Sicherheitsfaktoren, die für die PDE-Berechnung genutzt werden, sollte dokumentiert werden. Es sollte eine Erklärung für die Auswirkung von verschiedenen Verabreichungswegen (von potenziell kontaminierten Produkten) und von Tierarzneimitteln, jegliche Empfindlichkeit bestimmter Spezies, auf den PDE-Wert gegeben werden.
Ein Lebenslauf sollte die Qualifikationen des Gutachters belegen (typischerweise ein Abschluss in Pharmazie, Pharmakologie oder anderen relevanten pharmazeutischen Wissenschaften), einen Hintergrund in Toxikologie mit angemessener vorheriger Erfahrung in der Bestimmung von gesundheitsbezogenen Expositionsabschätzungen wie z. B.:
- Arbeitsplatzgrenzwerte (Occupational Exposure Limit, OEL)
- Restlösemittel
- elementare Verunreinigungen (Bestimmung der PDE-Werte)
Quellen
Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities, EMA/ CHMP/ CVMP/ SWP/ 169430/ 2012, 2014 – GMP-BERATER, Kapitel H.3.3.7
Aide Mémoire 07120104 der ZLG: Überwachung von Arzneimittelherstellern (Formular 071201_F01_02, optionale Berichtsvorlage, 2019), GMP-BERATER Kapitel D.4
Aide Mémoire 07123001 der ZLG: Inspektion der Reinigungsvalidierung und –verifizierung (2023), GMP-BERATER, Kapitel D.11
PIC/S Aide-memoire for Inspection of Health Based Exposure Limit (HBEL) Assessments and Use in Quality Risk Management (PI 052-1, 2020), https://picscheme.org/users_uploads/news_news_documents/5ef0b5df2ee1a.pdf
Folgende Beiträge könnten Sie auch interessieren