24.01.2023 | LOGFILE Leitartikel 3/2023

7 Fragenblöcke für SPS-Benutzeranforderungen

7 Fragenblöcke für SPS-Benutzeranforderungen

9 Min. Lesezeit | von Petra Berlemann und Thomas Peither

 

Benutzeranforderung, User Requirements Specification, Lastenheft: Was ist das? Wie erstellt man solche Dokumente? Ist das alles dasselbe? Oder doch etwas ganz anderes?

Vielleicht überlegen Sie, wenn Sie diese Fragen lesen, auch ganz kurz, ob das wirklich alles das Gleiche ist. Und manche Fachexpert*innen sind sich auf einmal auch nicht mehr sicher. Wir spannen Sie nicht länger auf die Folter …

Kurz: Alle Ausdrücke beschreiben die Anforderungen an ein Produkt, zum Beispiel Software, aus Benutzersicht. Üblicherweise erstellt man sie bei einer Neuanschaffung oder Änderung an einem bestehenden System mit folgenden Inhalten:

  • Was muss diese Software können?
  • Was erwarte ich von ihr?
  • Welche Schnittstellen sind zu beachten?
  • Wer schreibt eine Benutzeranforderung?

Wir beschränken uns in diesem Beitrag auf speicherprogrammierbare Steuerungen, sogenannte SPS.

Die vier oben genannten Leitfragen sollte sich jeder bei der Erstellung einer Benutzeranforderung oder auch eines Lastenhefts stellen und beantworten.

Benutzeranforderung

Eine Benutzeranforderung wird von dem Personenkreis verfasst, der die Software oder das Computersystem benutzen wird.

Es werden die Anforderungen beschrieben und nicht die fertige Lösung. Die verschiedenen Anforderungen dürfen sich nicht widersprechen. Die Benutzeranforderungen können in tabellarischer Form oder in Fließtext beschrieben werden. Der Vorteil der tabellarischen Form ist die Übersichtlichkeit und die Zuordnung einer Nummer zu einer Benutzeranforderung. Die Traceability (Rückverfolgbarkeit) von Benutzeranforderungen ist dadurch gegeben. Nachteilig für die tabellarische Darstellung ist die kurze Beschreibung der Benutzeranforderungen.


Beispiel: Ich möchte ein Handschreibgerät mit dokumentenechter Tinte. Die Tinte muss blau sein, und das Handschreibgerät darf nicht mehr als 100 g wiegen, eine Gesamtlänge von max. 20 cm aufweisen und im Durchmesser ca. 15 mm stark sein.

Nicht: Ich möchte einen Kugelschreiber der Marke XYZ1, der blau schreibt. Das wäre bereits die Lösung.

Im Wissens- und Lernportal GMP:KnowHow Anlagenqualifizierung wird an einem Beispiel aufgezeigt, wie eine Benutzeranforderung für eine SPS aussehen könnte.

Anhand von Leitfragen wird an einem Beispiel die Erarbeitung einer SPS-Benutzeranforderung erläutert. Wir geben Ihnen mit diesem Beitrag Einblick in die Struktur und Auszüge aus den über 50 Leitfragen.

Folgenden Bereiche und Themen bilden die Struktur einer Benutzeranforderung:

Projektbeschreibung

Zuerst startet man mit einer kurzen Projektbeschreibung. Die Benutzeranforderung wird im Normalfall an einen oder mehrere potenzielle(n) Lieferanten gesendet. So wissen sie, worum es geht, und können eine passende Lösung vorschlagen. 

Mögliche Leitfragen zu einer Projektbeschreibung könnten sein:

  • Was möchte ich meinem potenziellen Lieferanten mitteilen?
  • Um was geht es eigentlich im Projekt?
  • Wo ist der Ort, an dem die Software eingesetzt wird?

[…]


Regulatorische Anforderungen

Mögliche Leitfragen sind:

  • Welche Richtlinien, Gesetze und Vorschriften müssen eingehalten?
  • Welche Version ist verbindlich?
  • Welche nationalen, supranationalen und internationale Dokumente sollen mitgelten?

[…]


Human-Machine-Interface-Anforderungen

Bei den Human-Machine-Interface-Anforderungen (HMI-Anforderungen) handelt es sich um die Bedienerfreundlichkeit eines Computersystems/einer Software.

Mögliche Leitfragen sind:

  • Wie ist die Bedienung der Software/des Computersystems geregelt?
  • Ist die Bedienung intuitiv, oder muss eine Schulung des Lieferanten über mehrere Tage erfolgen?
  • Sind prozessrelevante und qualitätsrelevante Daten sofort wahrnehmbar, d. h. übersichtlich dargestellt?

[…]


Leistungsanforderungen/Funktionen

Mögliche Leitfragen sind:

  • Ist ein Audit-Trail vorhanden?
  • Sind die verschiedenen Benutzerrollen definiert und vorhanden? Was für Prozessoren sind im System verbaut, und welche Leistung haben diese?
  • Welche Prozessorleistung wird für eine mindestens 5-jährige Systemnutzung benötigt?
  • Wie wird das System installiert? (Via CD oder Internet-Download?)
  • Wie häufig wird das System verwendet? (24 h/7 d?)

[…]


Anforderungen an die Validierungsdokumentation

Mögliche Leitfragen und zu erstellenden Dokumente sind:

  • Welche Dokumente sind gemäß Validierungsmasterplan gefordert?
  • Welche Dokumente erstelle ich als Benutzer selbst, und welche kaufe ich vom Lieferanten ein?
  • Welche Tests werden benötigt, und welche Tests führt der Lieferant aus? (Beispielsweise: White Box Test = Entwickler testet die Software; Black Box Text = Operator testet die Software mit der Bedienoberfläche)
  • Risikoanalyse Softwareanforderungen
  • Traceability Matrix
  • Functional Specification (FS)
  • Hardware Design Specification (HDS)
  • Software Design Specification (SDS)
  • HMI Design Specification
  • Softwarevalidierungsmasterplan/Computer–System-Validierungsplan
  • Design Qualification (DQ) Plan-Test-Report
  • Installation Qualification (IQ) Plan-Test-Report

[…]


Schulung

Mögliche Leitfragen sind:

  • Wer soll geschult werden?
  • Wann sollen die Schulungen stattfinden?
  • Wer führt die Schulungen durch?

[…]


Arbeitssicherheit

Mögliche Leitfragen sind:

  • Gefährden die Neuanschaffung oder der Umbau Mensch, Maschine, Umwelt?
  • Wird der Prozess sicherer oder unsicherer?
  • Wird der Prozess in einer ATEX-Umgebung realisiert?

[…]


Fazit

Basierend auf solchen Leitfragen kann man detaillierte Benutzeranforderungen erstellen, die eine Erstellung von Folgedokumenten wie den Softwarequalitätsplan, Funktionale Spezifikation, Testplan und -bericht für die Anlagensteuerung deutlich erleichtert. Auch diese Schritte sind im GMP:KnowHow Anlagenqualifizierung praxisnah beschrieben.

 
Thomas Peither

Autor

Thomas Peither
GMP-Experte, Fachjournalist und Gründer des GMP-Verlags Peither AG
E-Mail: thomas.peither@gmp-verlag.de

 
GMP:KnowHow Anlagenqualifizierung

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