Änderungsmanagement aus Behördensicht
Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 1.D Änderungsmanagement
5 Min. Lesezeit | von Dr. Michael Hiob
Erschienen im LOGFILE 05/2025
Ohne Veränderungen gibt es keine Weiterentwicklung. Stillstand bedeutet Rückschritt. Diese „Lebensweisheiten“ gelten auch für die Arzneimittelherstellung. Doch hier gilt es vor allem, die Patientensicherheit als oberstes Ziel im Auge zu behalten.
Deshalb müssen alle GMP-relevanten Änderungen, die einen möglichen Einfluss auf die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels haben, sorgfältig geprüft und überwacht werden.
Im heutigen Leitartikel hat unsere Redakteurin Dr. Doris Borchert Kernfragen zum richtigen Umgang mit Änderungen an Dr. Michael Hiob gestellt. Lesen Sie, welche Aspekte aus Sicht der Behörde besonders relevant sind für ein effektives Änderungsmanagement.
Mehr zu diesem wichtigen Thema erfahren Sie im Kapitel „Änderungsmanagement“ im GMP-BERATER, der weltweit größten Wissenssammlung im Bereich der Good Manufacturing Practice.
Womit hat sich das Änderungsmanagement zu beschäftigen?
Das Änderungsmanagement ist ein zentraler Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems in der Pharmaindustrie. Es befasst sich mit der systematischen Handhabung von Änderungen, die während des Lebenszyklus eines Produkts auftreten können. Änderungen sind Modifikationen, Abwandlungen, Neufestlegungen oder Streichungen von GMP-relevanten Anforderungen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle Änderungen an Prozessen, Produkten oder Dokumentationen dokumentiert, bewertet und genehmigt werden, um die Qualität und Sicherheit der Arzneimittel zu gewährleisten.
In welchen Bereichen ist das Änderungsmanagement anzuwenden und wer ist verantwortlich für die Umsetzung?
Das Konzept des Änderungsmanagements muss sich auf alle GMP-regulierten Bereiche erstrecken. Zulassungsänderungen können Änderungen im GMP-Bereich auslösen und umgekehrt. Diese gegenseitige Abhängigkeit ist bei jedem Änderungsverfahren zu beachten.
Die Verantwortung für das Änderungsmanagement wird keinem bestimmten Funktionsträger zugewiesen. Änderungsmanagement ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe, bei der alle von der Änderung Betroffenen eingebunden sein sollten. Änderungsverfahren sollten nur durch Personen geplant, umgesetzt, überwacht und nachverfolgt werden, die mit dem jeweiligen Änderungsgegenstand vertraut sind. Die Expertise des Personals, das die Prozesse betreut, ist gerade für die Risikobewertung und Folgenabschätzung einer Änderung von unschätzbarem Wert.
Welche grundsätzlichen Anforderungen sind zu beachten?
Änderungsmanagement muss interdisziplinär, prospektiv und risikobasiert gehandhabt werden und im Lebenszyklus des Produktes verankert sein.
- Durch einen interdisziplinären Ansatz wird sichergestellt, dass alle Aspekte einer Änderung gründlich bewertet, dokumentiert und implementiert werden.
- Der prospektive Ansatz bedeutet, dass Änderungen vorausschauend geplant und beurteilt werden. Über Verfahrensanweisungen muss sichergestellt sein, dass vor der Umsetzung einer Änderung bestimmte Abläufe und Entscheidungsstufen durchlaufen werden.
- Hersteller müssen kritische Aspekte ihrer spezifischen Arbeitsabläufe über den gesamten Lebenszyklus des Produkts und Prozesses kontrollieren. Dazu gehören auch das Konzept des Änderungsmanagements und damit verbunden das Qualitätsrisikomanagement. Der Hersteller, der eine Änderung umsetzt, muss nachweisen können, dass er die damit verbundenen Risiken beurteilt hat und steuern kann.
Welche Rechtsvorschriften gelten?
Rechtsgrundlagen für das Änderungsmanagement finden sich in der EU-Richtlinie 2001/83/EG und im deutschen Arzneimittelgesetz. Anforderungen an den Umgang mit Änderungen finden sich auch im EU-GMP-Leitfaden, vor allem im Anhang 15 Qualifizierung und Validierung. Zur Umsetzung des Änderungsmanagements gibt es auch eine Vielzahl von Leitlinien der ZLG und der PIC/S.
Welche Rahmenbedingungen sind erforderlich für ein wirksames Änderungsmanagement?
Ein wirksames Änderungsmanagement setzt verschiedene Rahmenbedingungen voraus. Dazu gehört die Verankerung in der Qualitätspolitik ebenso wie die klare Festlegung von Abläufen, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnissen. Die für das Änderungsmanagement erforderlichen Ressourcen müssen von der Obersten Leitung bereitgestellt werden.
Ein solides Wissensmanagement ist unentbehrlich, um Änderungen prospektiv und risikobasiert beurteilen und effizient umsetzen zu können. Änderungsmanagement betrifft aber nicht nur interne Prozesse, sondern muss auch in Lohnauftragsbeziehungen geregelt werden. Last but not least gilt es, durch eine gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden das Änderungsverfahren zu vereinfachen, Reibungspunkte zu vermeiden und Kosten zu reduzieren.
Wie gestaltet sich ein Änderungsablauf im Detail?
Jedes Änderungsverfahren beginnt mit einem Auslöser, der interner, externer oder regulatorischer Natur sein kann. Die vorgesehene Änderung ist im Änderungsantrag zu beschreiben und zu begründen. Die Auswirkungen der Änderung werden risikobasiert beurteilt. Im Rahmen der Risikosteuerung wird dann über Genehmigung, Ablehnung oder Abbruch des Änderungsverfahrens entschieden. Änderungen dürfen erst nach erfolgter Genehmigung umgesetzt werden. Dabei sind ggf. weitere Voraussetzungen zu erfüllen und/oder Dokumente anzupassen. Für umfangreiche Änderungen kann auch eine eigene Projektorganisation erforderlich sein. Nachdem die Änderung umgesetzt ist, muss geprüft werden, ob die beabsichtigte Wirksamkeit auch gegeben ist. Je nach Art der Änderung kann dies z. B. im Rahmen des Management Reviews oder des PQRs erfolgen, oder im Rahmen der fortlaufenden Prozessverifikation und des Abweichungsmanagements verfolgt werden.
Wie ist das Änderungsmanagement zu dokumentieren?
Die Dokumentation des Änderungsmanagements umfasst nicht nur die Einzelfalldokumentation. Das Änderungsmanagement muss in der Qualitätspolitik und im Validierungsmasterplan verankert sein und in einer Verfahrensanweisung beschrieben werden. Außerdem müssen alle Roh- und Sekundärdaten, die im Zusammenhang mit einer Änderung genutzt werden, vollständig erfasst und aufbewahrt werden. Zur Archivierung von Verfahrensanweisungen und Anträgen zum Änderungsmanagement gibt es keine spezifischen regulatorischen Anforderungen. Die Aufbewahrungsdauer richtet sich u.a. nach dem Gegenstand der Änderung.
Wie wird das Änderungsmanagement auditiert?
Die Überprüfung von Änderungsmanagementsystemen ist ein kritischer Prozess zur Sicherstellung, dass Änderungen den EU-GMP-Richtlinien entsprechen. Audits bei Auftragnehmern und Lieferanten sowie interne Audits (Selbstinspektionen) sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Produktqualität und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Diese Audits sollten in regelmäßiger Frequenz sowie nach festgestellten Auffälligkeiten durchgeführt werden.