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Das Kreuz mit der Kontamination

Das Kreuz mit der Kontamination

Kreuzkontamination durch hygienegerechte Konstruktion vermeiden

Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 4.C Hygienegerechte Konstruktion

8 Min. Lesezeit | von Ruven Brandes und Richard Denk; Dr. Doris Borchert (redaktionelle Bearbeitung)
Erschienen im LOGFILE Leitartikel 06/2020

Bei der Planung einer Anlage sind viele Aspekte zu beachten. Dazu zählen neben den regulatorischen und normativen Anforderungen auch Funktionalität und Wirtschaftlichkeit sowie die Prinzipien einer hygienegerechten Konstruktion. Man spricht auch von Hygienedesign oder Hygienic Design.


Was ist Hygienedesign?

Unter Hygienedesign versteht man die reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen, Komponenten und Produktionsanlagen. Daraus resultieren einfach zu reinigende, totraumarme Anlagen, die ein geschlossenes Design aufweisen.


Wozu braucht man Hygienedesign?

Hygienisches Design ist in der Herstellung fester, flüssiger und aseptischer Arzneiformen von Bedeutung. Dabei können die Zielsetzungen unterschiedlich sein:

  • Beim Umgang mit Feststoffen soll vor allem das unkontrollierte Austreten von Substanzen verhindert werden: Feststoffe können sich im Gegensatz zu Flüssigkeiten bei unsachgemäßem und offenem Umgang über die Lüftungstechnik sowie über Oberflächen- und Personalverschleppung im gesamten Gebäude verteilen. Ein geschlossenes Design trägt hier zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen bei.
  • Beim Umgang mit Flüssigkeiten geht es vor allem darum, Produktrückstände und mikrobielle Verunreinigungen zu verhindern. Hygienisches Design bedeutet hier insbesondere die Vermeidung von Toträumen und schwierig zu reinigenden Oberflächen.
  • Eine wichtige Rolle spielt das Hygienedesign auch in der aseptischen Herstellung: da hier das pharmazeutisch hergestellte Produkt zum Teil offen befüllt wird, stellen auch nicht-produktberührende Oberflächen (nahe am offenen Produkt) ein Risiko der Kreuz-Kontamination dar. Dies betrifft auch die Lyophilisation. Hygienisches Design bedeutet hier die einfache Reinigung sowie Dekontamination der Oberflächen, zum Beispiel mit versprühtem oder verdampften H2O2, sowie der „unidirectional Airflow“ über dem offenen Produkt in der Primärverpackung, ohne diesen durch Einbauten zu unterbrechen.

In all diesen Bereichen besteht die Gefahr einer Kreuzkontamination von Produkten. Diese muss gemäß den Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens unter allen Umständen vermieden werden (Part I, Kapitel 5.18). Die Verschmutzungen anschließend von allen Oberflächen zu entfernen, kann je nach Raum und Anlagenplanung sehr aufwändig und im schlimmsten Fall unmöglich sein. Daher sind wirksame Vorkehrungen zu treffen, um eine Kreuzkontamination von vornherein zu vermeiden.

Hierzu beschreibt der EU-GMP-Leitfaden in Kapitel 5.21 mehrere technische und organisatorische Maßnahmen. Dazu gehören auch der Einsatz geschlossener Systeme und die Verwendung reinigungsfreundlich konstruierter Ausrüstung. Auch wenn der Begriff „Hygienic Design“ an dieser Stelle nicht explizit genannt wird, ist das zu verwendende Anlagendesign vor diesem Hintergrund besonders wichtig und sollte schon im frühen Stadium einer Planung betrachtet werden. Oder anders gesagt:

Hygienic Design liefert einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen.


Welche Merkmale sind charakteristisch für Hygienedesign?

Bei der Umsetzung von Hygienic Design sind folgende Prinzipien zu beachten:

  • einfache Konstruktion
  • freier Zugang zu sämtlichen Maschinenoberflächen zum Zweck der Reinigung, Desinfektion und Kontrolle
  • Reduzierung von Maschinenoberflächen, soweit dies machbar ist
  • Einfache Demontage von Teilen zu Reinigungszwecken
  • Vermeidung versteckter Konstruktionsbereiche, in denen sich Ablagerungen und Biofilme bilden können
  • Verwendung von Materialien und Oberflächenbeschaffenheiten, die einfach zu reinigen sind.

Die Umsetzung hygienegerechter Konstruktionsmerkmale bei Pharmaanlagen wird nachfolgend an einem Beispiel gezeigt.

Beispiel: Feststoff-Anlage

Bei der in Abbildung 1 gezeigten Anlage wurden folgende Merkmale eines Hygienedesigns umgesetzt:

  • Alle Kabel und Schläuche werden in den Hubsäulen geführt und über geschlossene Systeme über die Reinraumdecke in den Technikbereich gebracht.
  • Schnellverbindungen in allen Komponenten zur einfachen Reinigung und Inspektion
  • Bodenwaage mit aufklappbarem Deckel zur einfachen Reinigung
  • Bodenfreiheit unterhalb der Anlage. Dadurch kann auch der Bereich unterhalb der Waage einfach gereinigt werden.
  • Vorteil der Hubsäule für das Dosiersystem: Die Dosierschnecke kann für Reinigungs- und Wartungsarbeiten in Bedienhöhe gefahren werden.
  • Kabelführungen zur Dosierschnecke in den Vierkant-Rohren sowie in der Hubsäule verlegt.
  • Die Hubsäule ist außen ohne Anbauten und dadurch einfach zu reinigen

Abbildung 1 Beispiel einer hygienegerecht konstruierten Feststoff-Anlage


Wo wird Hygienedesign benötigt?

Neben den technischen Maßnahmen beschreibt der EU-GMP-Leitfaden in Kapitel 5.21 auch organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Kreuzkontamination. Dort heißt es u.a.:

„Abhängig von dem Kontaminationsrisiko, Reinigungsnachweis von Flächen, die nicht mit dem Produkt in Kontakt gekommen sind, und Luftüberprüfung im Herstellungsbereich und/oder benachbarten Bereichen, um die Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen gegen durch die Luft übertragene Kontaminationen oder Kontaminationen durch mechanischen Transfer nachzuweisen.”

Diese Anforderung spielt beim Anlagen- und Raumdesign ebenfalls eine wichtige Rolle, denn sie betrifft alle nicht produktberührenden Oberflächen in Räumen oder Oberflächen an Apparaten, die kritisch für offene pharmazeutische Produkte sind. Hiervon betroffen sind auch Isolatoren in der aseptischen Herstellung, in denen sich der Füll- und Verschließbereich der Behältnisse (zum Beispiel Vials, Spritzen, Ampullen etc.) befindet. Auch der Prozess-Bereich in einem Lyophilisator ist davon betroffen.

Die Anforderungen an das Hygienedesign wurden auch verstärkt durch die im November 2014 von der EMA veröffentlichte Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities. Diese Leitlinie ist Bestandteil des EU-GMP-Leitfadens Teil III. Die zentrale Forderung der EMA-Leitlinie besteht darin, dass bei der pharmazeutischen Herstellung in gemeinsam genutzten Anlagen für jedes Produkt ein PDE-Wert (Permitted Daily Exposure) vorliegt. Anhand des PDE-Wertes werden Grenzwerte für die Reinigung sowie die Kreuz-Kontamination vom vorhergehenden zum nächsten Produkt festgelegt.

Auch die PIC/S hat die Anforderungen aufgegriffen und 2018 das Aide-mémoire on cross-contamination in shared facilities (PI 043-1) herausgegeben


Wo beginnt Hygienedesign?

Sollen alle diese Aspekte bei technischen Lösungen in vollem Umfang integriert werden, müssen sie bei der Planung und Konstruktion von neuen Maschinen und Räumen von Anfang an mit berücksichtigt werden. Raum und Maschinenfunktionen sind in jeder Phase ihrer Entwicklung auf Hygienic Design-Tauglichkeit zu prüfen. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit einer zügigen und effektiven Reinigung sowie bei produktberührten Oberflächen einer Sterilisation. Nur so kann schließlich ein Raum sowie eine Maschine entstehen, deren Funktionalität sich ebenso perfekt darstellt wie die hygienegerechte Gestaltung.

Für die optimale Planung und Ausführung einer pharmazeutischen Anlage ist immer eine Kombination aus verfahrenstechnischem und anlagenplanerischem Know-how mit den speziellen pharmazeutischen Fachkompetenzen erforderlich. Das Projektteam sollte daher aus Verfahrenstechnikern, Pharmaingenieuren und Spezialisten der jeweiligen Fachdisziplinen (zum Beispiel Qualitätssicherung, Environment Health and Safety etc.) bestehen. In einem derart multidisziplinären Team können Fragen der Prozessautomation, Architektur (Raumplanung, Zonenkonzept), sowie zur Qualifizierung und Validierung der Anlagen kompetent beantwortet und in einer Risikobetrachtung dokumentiert werden. Bei der Gestaltung und Konstruktion von Räumen und Anlagen stellt das Hygienic Design allerdings nur einen Teilaspekt dar. Weitere wichtige Aspekte sind:

  • Regulatorische Vorgaben
  • Funktionalität
  • Wirtschaftlichkeit
  • Lebensdauer
  • Wartung

Die spezielle fachliche Expertise ist bei einem Hygienic Design-Projekt unverzichtbar. Zu den weiteren Erfolgsfaktoren gehören - wie bei anderen Projekten auch –

  • ein solides Projektmanagement
  • Gute Ingenieurspraxis (GEP)
  • Auswahl und Qualifizierung geeigneter Lieferanten
  • ein klar definiertes Beschaffungsprozedere

und letztendlich eine GMP-konforme Qualifizierung.


Möchten Sie mehr erfahren über die technischen Grundlagen und die anwendungsorientierte Umsetzung von Hygienedesign?

Im Kapitel 4.C des GMP-BERATERs werden wichtige Konstruktionsmerkmale für das hygienische Design erläutert am Beispiel von verschiedenen Verbindungstypen, Förder- und Dosiersystemen sowie Reinrauminstallationen. Auch die Anwendung von Hygienic Design bei Prozessanlagen für die Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln wird anhand von Beispielen gezeigt.

Hygienic Design ist ein Thema, das für die Pharmabranche von zunehmender Bedeutung ist, denn immer mehr neu entwickelte Wirkstoffe zählen zu den hochaktiven Substanzen.

Machen Sie sich mit den Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten heute schon vertraut, damit Sie für die Herausforderungen von morgen bestens gerüstet sind!



Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

Dr. Doris Borchert
Dr. Doris Borchert

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