Qualitätssicherung – Standortbestimmung und Ausblick
Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 1.C, Aufgaben der Qualitätssicherung
6 Min. Lesezeit | von Dr. Christian Gausepohl
Erschienen im LOGFILE 22/2025
Welche Rolle spielt die Qualitätssicherung im Spannungsfeld zwischen Beratung und Überwachung, zwischen systemischer und operativer Ebene? Welche Trends zeichnen sich ab im Selbstverständnis und der Funktion einer modernen Qualitätssicherung?
Die Gesamtrolle der Qualitätssicherung in den Unternehmen ist unterschiedlich und von vielen Faktoren wie Größe, Komplexität, Historie aber auch von der Qualitätskultur abhängig.
Der Trend geht hier in der Entwicklung der Qualitätssicherung von der koordinativen und beratenden Funktion zu einer ausgeprägten Überwachungsfunktion. Grundsätzlich kann besonders die Hinwendung zur operativen Quality Oversight eine signifikante Verbesserung für die Qualitätskultur, die kontinuierliche Verbesserung und die Reduktion von Fehlern bieten. Hier bietet sich auch die Chance, im Rahmen des Lean Managements die Shop-Floor-QS operativ einzubinden.
Gleichwohl sollte für jede neue Aufgabe der Qualitätssicherung – z. B. zusätzliche Überprüfungen oder Beobachtungen – hinterfragt werden, inwieweit diese sinnvoll, effektiv und effizient sind. Die Festlegung von derartigen Maßnahmen sollte vor allem auf den Ergebnissen des Qualitätsrisikomanagements beruhen. Dazu muss zunächst festgestellt werden, ob tatsächlich ein inakzeptables Risiko für eine Tätigkeit vorliegt, z. B. ein möglicher Fehler mit ausreichender Schwere und reduzierter Entdeckungswahrscheinlichkeit.
Das nachfolgende Beispiel soll dies verdeutlichen.
Im Rahmen einer Klinikmusterherstellung sollen Etiketten zur Aktualisierung des Verfalldatums aufgebracht werden. Die Aufbringung erfolgt manuell durch die Mitarbeiter des operativen Bereichs. Die richtige Durchführung wird durch einen zweiten Mitarbeiter des gleichen Bereichs verifiziert. Aufgrund von Fehlern soll nun eine weitere Verifizierung durch zusätzliche Beobachtung durch die Qualitätssicherung erfolgen.
Die richtige Etikettierung muss sichergestellt werden, um Risiken für den Patienten zu vermeiden. Durch eine zweite Verifizierung können mögliche Prozessschwächen kaschiert und fehlerhafte Produkte in der fertiggestellten Charge vermieden werden. Die Ursache des Problems wird nicht behandelt, nämlich die Prozessschwäche, die Feststellung bereits durch den initialen Verifizierungsschritt sicherzustellen. Der Ruf aus dem operativen Bereich nach zusätzlichen Kontrollen durch die QS – möglicherweise zur Reduktion der eigenen Aufgaben – sollte daher jedes Mal kritisch hinterfragt werden.
Aber auch die Qualitätssicherung sollte sich bei der Vorgabe von
Standards und deren Interpretation bewusst sein, dass ein Nachregulieren
tatsächlich der Verbesserung dienen sollte. Dabei ist klar zu
unterscheiden zwischen „nice to have“ und „need to have“, also ob dies
wirklich erforderlich ist oder eine Verschönerung der Anforderung aus
Qualitätssicherungssicht darstellt. Jede Anpassung sollte vorab an alle
Beteiligten klar kommuniziert werden. Als Beispiel können hier steigende
Anforderungen und kritischere Bewertung von Dokumentationsfehlern
gelten, z. B. Lesbarkeit und Korrekturen.
Wie in allen Unternehmen und Organisationen besteht die Gefahr, dass Verwaltungsprozesse über die Zeit intern wachsen, komplexer und detaillierter werden und so die Anforderungen an Ressourcen und Prozesse steigen. Hier sollte die Qualitätssicherung stets berücksichtigen, dass ihre Aufgaben kein Selbstzweck sind und die Verwaltung der Prozesse immer wieder verschlankt werden sollte.
Auch die Qualitätssicherung ist mit ihren Verantwortlichkeiten ein Teil der Wertschöpfungskette. Ohne die Zertifizierung der Chargen am Fertigungsende, ohne die dafür erforderlichen Schritte, z. B. Batch Record Review, ist keine Freigabe der Produkte möglich. Daneben trägt eine erfolgreiche Qualitätssicherung im Rahmen ihrer Aufgaben zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen und Produkten bei. Dies immer wieder darzustellen, ist eine wichtige Aufgabe in der Zusammenarbeit zwischen operativen Bereichen und der Qualitätssicherung.
Eine häufige Bewertungsgröße im Unternehmen ist die sogenannte Cost of Poor Quality (Abbildung 1). Sie soll darstellen, welche Kosten durch Fehler im Unternehmen entstehen. Dies kann hilfreich sein, um die Bedeutung der Qualitätssicherung und der Standardprozesse hervorzuheben und bewusst zu machen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass diese Kennzahl nicht als Vorwurf, sondern als informative Standortbestimmung anzusehen ist.

Abbildung 1 | Cost of Poor Quality
Im Idealfall ist die Qualitätssicherung sowohl überwachend als auch beratend tätig und unterstützt die operativen Bereiche aktiv. Die Zusammenarbeit bietet offene und aktive Unterstützung von Verbesserungsvorschlägen und deren Umsetzung. Dabei befindet sie sich nicht im „Elfenbeinturm“ im Unternehmen, sondern ist ein aktiver Partner für Verbesserungen und nachhaltigen Erfolg. Sie soll Prozesse und Änderungen begleiten und beobachten, jedoch nicht aus Prinzip verhindern. Im Risikomanagement sorgt sie für eine ehrliche und transparente Bewertung, auch wenn dies nicht immer der einfache Weg ist. Sie trägt damit zu einer positiven Entwicklung der Qualitätskultur bei.
Die Qualitätssicherung ist eine wesentliche Säule, auf die sich die Sachkundige Person in ihrer Aufgabenstellung und Verantwortung stützt. Die Zusammenarbeit ist daher naturgemäß eng.
| Was macht eine „gute“ Qualitätssicherung aus? |
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Abbildung 2 | Aspekte für eine „gute“ Qualitätssicherung