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Stoffliche Medizinprodukte: Gewissheit und Herausforderungen

Stoffliche Medizinprodukte – Gewissheit und Herausforderungen durch die neue Medical Device Regulation

0 Min. Lesezeit | von
Erschienen im LOGFILE Leitartikel 20/2020

7 Min. Lesezeit | von Dr. Felix Tobias Kern

Die Abgrenzung von Medizinprodukten und Arzneimitteln stellt pharmazeutische Hersteller immer wieder vor Herausforderungen.

Die Abgrenzung von Medizinprodukten und Arzneimitteln stellt pharmazeutische Hersteller immer wieder vor Herausforderungen. Entspricht mein Produkt nun der Definition eines Medizinproduktes nach § 3 Nr. 1 MPG oder der Definition eines Arzneimittels nach § 2 AMG? Dies orientiert sich an der Hauptwirkung des Produktes. Anders als bei Arzneimitteln, die pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch wirken, wird die Hauptwirkung bei Medizinprodukten primär auf physikalischem Weg erreicht. Kommen sowohl Medizinprodukt, als auch Arzneimittel in einem Produkt zusammen, ist die entsprechende Hauptwirkung ausschlaggebend für die Einstufung des Produktes.


Was sind stoffliche Medizinprodukte?

Stoffliche Medizinprodukte werden zunächst vom Patienten nicht als Medizinprodukt wahrgenommen, gleichen sie doch in der Darreichungsform und im Erscheinungsbild einem Arzneimittel. Als Beispiel ist hier die Tablette zu nennen. Wann ist eine Tablette ein Arzneimittel und wann ist sie ein stoffliches Medizinprodukt? Dies orientiert sich ebenfalls an der Hauptwirkung des Produktes. Wird durch den Wirkstoff in der Tablette beispielsweise eine physikalische Barriere über den Schleimhäuten aufgebaut, sodass Reizungen gemildert werden, kann es sich bei der Tablette um ein stoffliches Medizinprodukt handeln. Bewirkt sie im Gegensatz dazu beispielsweise durch eine antibiotische Wirkung eine Reduktion des Bakterienwachstums, handelt es sich bei der Tablette um ein Arzneimittel.

Beispiele für stoffliche Medizinprodukte:

Feste, halbfeste und flüssige Zubereitungen, wie z. B.:

  • Lutschtabletten,
  • Ultraschall-Gel,
  • Tränen- oder Speichelersatzflüssigkeiten,
  • Meerwasser-Nasenspray,

die keine pharmakologische Wirkung auf den Menschen haben, aber der Erkennung und Behandlung von Krankheiten dienen.

 


Wie wurden stoffliche Medizinprodukte bisher behandelt?

Stoffliche Medizinprodukte wurden bisher nicht gebührend anerkannt. Die EU-Kommission hatte sogar überlegt, sie komplett aus dem Medizinprodukterecht herauszunehmen. Tatsächlich sind die Präparate insbesondere gesundheitsökomisch sehr relevant. Viele dieser Produkte sind freiverkäuflich und zur Selbstmedikation geeignet. Durch sie wird das Gesundheitssystem extrem entlastet, da der Patient, bevor er zum Arzt geht, versucht sich selbst auf eigene Kosten zu therapieren.


Was ist die Medical Device Regulation (MDR)?

Die MDR ist eine europäische Verordnung, die nicht in nationales Recht überführt werden muss und unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt. Die MDR löst die beiden EU-Richtlinien 93/42/EWG über Medizinprodukte und 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte ab. Diese stellen bisher zusammen mit der EU-Richtlinie 98/79/EG über In-vitro Diagnostika die Basis für das deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) da. In Deutschland wird somit das MPG durch die MDR abgelöst. Die Einführung der MDR soll u.a. eine Harmonisierung des europäischen Medizinprodukterechts herbeiführen, Rechtssicherheit für die Hersteller von Medizinprodukten erbringen und den Zugang zum europäischen Markt für neue Medizinprodukte erleichtern.


Was ändert sich nun mit der Medical Device Regulation in Bezug auf stoffliche Medizinprodukte?

  1. Die Existenz der stofflichen Medizinprodukte wird anerkannt und mit einer eigenen Klassifizierungsregel (Regel 21) in der Verordnung ausdrücklich erwähnt. Es besteht dadurch Sicherheit für die Hersteller dieser Produkte, dass sie ein stoffliches Medizinprodukt auch wirklich herstellen können.
  2. Deutliche Verschärfung der Klassifizierung der stofflichen Medizinprodukte mit der Einführung der eigenen Klassifizierungsregel (jetzt Einstufung mindestens in Klasse IIa/IIb oder Klasse III).
  3. Erwarteter Mangel an Benannten Stellen: Durch die verschärfte Klassifizierung dieser Produkte reicht ein Konformitätsbewertungsverfahren durch den Hersteller selbst nicht mehr aus. Kein stoffliches Medizinprodukte wird durch die neuen Klassifizierungsregeln mehr der Klasse I zugeordnet. Es muss demnach eine neue Zertifizierung zusammen mit einer Benannten Stelle durchgeführt werden. Die Anzahl an Benannten Stellen für stoffliche Medizinprodukte in der EU ist stark begrenzt.
  4. Erweiterte Anforderungen an das Qualitätsmanagement: Dies betrifft beispielsweise die Punkte Risikomanagement, Post Market Follow Up System und verschärfte klinische Prüfungen und Bewertungen.
  5. Erweiterte personelle Anforderungen: Dies betrifft beispielsweise die Pflicht zur Benennung einer verantwortlichen Person und der Nachweis deren Qualifikation gegenüber den Behörden.


Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

Dr. Sabine Paris
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