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Ungebetene Gäste: Reklamationen und Rückrufe

Ungebetene Gäste: Reklamationen und Rückrufe

Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 1.G Reklamationen und Produktrückrufe

5 Min. Lesezeit | von Heike Meichsner und Susanne Schweizer
Erschienen im LOGFILE 24/2024

Ein Glassplitter im Hustensaft oder eine falsche Dosierungsangabe in der Packungsbeilage – das sind Qualitätsmängel bei Arzneimitteln, die weitreichende Folgen für die Patienten haben können. Die Praxis zeigt, dass solche und ähnliche Fehler trotz größter Sorgfalt und aufwändigen Kontrollen passieren können.
Jede Reklamation muss ernst genommen und untersucht werden – häufig verbunden mit großem Zeit- und Personalaufwand. Ist der Qualitätsmangel so gravierend, dass die Patientensicherheit gefährdet ist, muss ein Rückruf initiiert werden.
Produktreklamationen und Rückrufe zählen somit zu den weniger beliebten Themen im GxP-Umfeld. Doch gerade hier sind klare Abläufe und schnelles, professionelles Handeln von größter Wichtigkeit, um den Schaden zu begrenzen.

In unserem heutigen Auszug aus dem GMP-BERATER haben wir das Wichtigste in Kürze zum Umgang mit Reklamationen und Rückrufen für Sie zusammengefasst.


Oberstes Ziel: Arzneimittelqualität und Patientensicherheit

Trotz großer Sorgfalt bei Herstellung, Prüfung, Lagerung und Transport und eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems kann es vorkommen, dass ein Medikament einen Qualitätsmangel aufweist.

Beanstandungen jeglicher Art müssen aufgenommen und daraufhin geprüft werden, ob ihnen ein Qualitätsmangel zugrunde liegen könnte oder die Arzneimittelsicherheit gefährdet sein könnte. Ersteres wird im Rahmen der Produktreklamation bearbeitet, während alle Aspekte der Arzneimittelsicherheit in den Bereich des Pharmakovigilanz-Systems fallen.

Bestätigt eine Reklamationsuntersuchung einen gravierenden Qualitätsmangel, der nicht nur einzelne Packungen, sondern die gesamte Charge betrifft, kann es nötig sein, dass die Charge zügig vom Markt zurückgeholt werden muss, um die Patientensicherheit nicht zu gefährden. Man spricht dann von einem Produktrückruf, der durch den Hersteller oder die Behörde initiiert werden kann.

Reklamationsbearbeitung und Produktrückruf sind somit wichtige Bausteine des Pharmazeutischen Qualitätssystems (PQS). Ihre Aufgabe ist es, fehlerhafte Arzneimittel zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, so wie es das Gesetz und die zuständige Aufsichtsbehörde vom Arzneimittelhersteller verlangen.

Die Bearbeitung von Reklamationen und Rückrufen ist eng verbunden mit anderen Elementen des PQS. Dazu zählen Abweichungen, CAPA und Risikomanagement, aber auch Product Quality Review und Qualitätskennzahlen.

Wer ist verantwortlich für das Reklamations- und Rückrufmanagement?

Zum Umgang mit Reklamationen und Rückrufen finden sich Anforderungen in der nationalen Gesetzgebung (AMG und AMWHV) und im EU-GMP-Leitfaden. Darüber hinaus gibt es Anforderungen der FDA, ANVISA, WHO u.a., die je nach Geltungsbereich ebenfalls zu berücksichtigen sind. In der deutschen Gesetzgebung trägt der Stufenplanbeauftragte nach § 63a AMG die Hauptverantwortlichkeit für den Bereich Beanstandungen und Rückrufe. Aber auch die Sachkundige Person und der Pharmazeutische Unternehmer haben bestimmte Pflichten zu erfüllen.

Worauf kommt es an bei der Reklamationsbearbeitung?

Bei Verdacht auf ein fehlerhaftes Arzneimittel muss eine vollumfängliche Untersuchung angestoßen werden. Die Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, ob die Reklamation berechtigt ist, ob es sich um einen Qualitätsmangel handelt oder ob das Arzneimittel möglicherweise gefälscht ist. Dazu ist es wichtig, zu verstehen, wo in der Herstellungs-, Lager- und Lieferkette ein solcher Fehler seinen Ursprung haben könnte.

Die Rolle des Reklamationsmanagers ist dabei von zentraler Bedeutung, um die richtigen Bereiche in die Untersuchung einzubeziehen. Potenziell gravierende Mängel muss er oder sie schnell erkennen und alle wichtigen Personen informieren.

Die Prozessabläufe müssen passgenau für die Firma in SOPs niedergeschrieben sein. Ist die Untersuchung abgeschlossen, müssen die Ergebnisse gut dokumentiert zusammengetragen und bewertet werden.

Alle Maßnahmen, die getroffen werden, sind klar zu definieren.

 

Ruhe bewahren: So reagieren Sie im Falle eines Rückrufs

Im Falle eines gravierenden Mangels oder einer Fälschung ist i.d.R. die Behörde zu informieren. Bei einer möglichen Patientengefährdung ist ein Produktrückruf vom Markt in Erwägung zu ziehen, was in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden erfolgen muss.

Ein solcher Rückruf muss ebenfalls nach klar definierten Strukturen ablaufen, die in einer SOP beschrieben werden.

Damit ein Rückruf reibungslos und vollumfänglich ausgeführt wird, ist das regelmäßige Training des Prozesses essenziell. Das Gesetz schreibt deshalb nicht nur vor, dass ein Produktrückruf geregelt sein muss, sondern verlangt eine regelmäßige Durchführung. Somit wird der Prozess jährlich entweder durch einen wahren Rückruf überprüft oder anhand eines simulierten, so genannten Mock Recalls.

  

Aus Fehlern lernen

Reklamationen und Rückrufe müssen über die Einzelfalluntersuchung hinaus auch gesamtheitlich betrachtet werden. Berichterstellung und Festlegung von Maßnahmen, die am Ende wieder auf Effizienz überprüft werden, stellen dabei sicher, dass ein Arzneimittelunternehmen bei einer potenziellen Patientengefährdung sicher und schnell handeln kann. Aufgrund seiner Bedeutung für Arzneimittelqualität und Patientensicherheit ist das Reklamations- und Rückrufmanagement ein zentrales Thema bei Behördeninspektionen.

Gut strukturiertes und vollumfängliches Reklamations- und Rückrufmanagement dient darüber hinaus auch der kontinuierlichen Verbesserung, denn es ermöglicht, vermeintlich einzelne Arzneimittelfehler im Gesamtkontext des Produkts zu sehen und Ursachen erfolgreich zu beheben. PQRs, Trendings und Qualitätskennzahlen sind hilfreiche Werkzeuge, um die Effektivität von Maßnahmen zu überprüfen.

Betrachtet man die beiden Prozesse also in ihrer Gesamtheit, zeigt sich, wie wichtig sie sind, um die Qualität von Arzneimitteln zu managen und ihre Sicherheit über den gesamten Lebenszyklus einer Arzneimittelcharge hinweg auch dann noch überprüfen zu können, wenn sie schon im Markt und beim Patienten sind.

 

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

Susanne Schweizer
Susanne Schweizer

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