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Was ist neu im zweiten Entwurf des Annex 1? Teil 3

Was ist neu im zweiten Entwurf des Annex 1? Teil 3

6 Min. Lesezeit | von Ruven Brandes
Erschienen im LOGFILE Leitartikel 14/2020

In einer Reihe von LOGFILE-Artikeln stellen wir Ihnen die wichtigsten Änderungen im neuen Entwurf des Anhangs 1 zum EU-GMP Leitfaden vor.

 Im ersten Teil der Reihe hat unser Autor Ruven Brandes die neue Struktur des Annex 1, seinen erweiterten Anwendungsbereich sowie die besondere Betonung von Qualitätsrisikomanagement und Contamination Control Strategy erläutert (LOGFILE 10/2020). 

Im zweiten Teil ging es um relevante Änderungen des Abschnittes „Grundsätze“. Dieser wurde bereits im ersten Teil kurz angesprochen. Weiterhin wurden Änderungen im Abschnitt 4 Räumlichkeiten vorgestellt (LOGFILE 12/2020).

Der dritte Teil dreht sich um weitere Neuerungen im Abschnitt „Räumlichkeiten“. Es werden Änderungen bzgl. der Luftgeschwindigkeit und das Kapitel Reinraumqualifizierung besonders herausgestellt.

Im Februar 2020 wurde der zweite Entwurf des überarbeiteten EU-GMP-Anhangs 1 zur Herstellung steriler Arzneimittel veröffentlicht. Dieser steht bis zum 20.05.2020 zur Konsultation. Ausgewählte Organisationen und Interessenträger können anhand eines Fragenkataloges den aktuellen Entwurf kommentieren. Eine öffentliche Kommentierung ist grundsätzlich nicht geplant. Anfragen dazu können aber an die EMA gestellt werden und müssen im Einzelfall genehmigt werden.


Fortsetzung zum Abschnitt 4 Räumlichkeiten

Richtwerte für die Luftgeschwindigkeit

Im Anschluss an den Absatz 4.3 erläutert der neue Entwurf Reinraumzonen, deren Zweck und besondere Erwartungen. In der ersten Revision gab es noch einen Richtwert für die Luftgeschwindigkeit der Klasse A (0,36 bis 0,54 m/s). Dieser Richtwert ist in Revision zwei an dieser Stelle nicht mehr vorhanden. Er wird jetzt unter Punkt 4.32 erwähnt.

„4.15 Airflow patterns within cleanrooms and zones should be visualised to demonstrate that there is no ingress from lower grade to higher grade areas and that air does not travel from less clean areas (such as the floor) or over operators or equipment that may transfer contaminant to the higher grade areas. Where air movement is shown to be a risk to the clean area or critical zone, corrective actions, such as design improvement, should be implemented. Airflow pattern studies should be performed both at rest and in operation (e.g. simulating operator interventions). Video recordings of the airflow patterns should be retained. The outcome of the air visualisation studies should be considered when establishing the facility's environmental monitoring program.

Nach Auffassung des Autors ist dieses Vorgehen ein Schritt in die richtige Richtung. Die Betrachtung des reinen Wertebereiches hat nie die richtigen Verhältnisse innerhalb der Klasse A widergespiegelt, im Besondern nicht im Bereich des Point of Use. Die Positionierung der „alten“ Richtwerte unter Punkt 4.32, lässt den Schluss zu, dass die Autoren des neuen Entwurfs sich nicht vollständig von den Werten trennen konnten. Stattdessen wurde ein versucht, einen Kompromiss aufzustellen und auf den CCS verwiesen. Halbsätze wie: „…Luftstromvisualisierungsstudien sollten mit der Luftgeschwindigkeitsmessung korrelieren…(Anmerkung: Ist dies nicht immer so – das was eingestellt wird an Geschwindigkeit, sehe ich in der Visualisierung?)“ wurden eingefügt, um den vermeintlichen guten Kompromiss zu stärken. Das ist „mal wieder“ nicht konsequent von den Erstellern und handwerklich nicht gut gemacht, wenn man sich den positiven Punkt 4.15 betrachtet. Nach Auffassung des Autors, ist eine Abweichung von dem Wertebereich durchaus zulässig, wenn dies im CCS begründet wird und die Visualisierung die Begründung zusätzlich unterstützt.


Materialströme

Zwei neue Absätze wurden in Revision zwei aufgenommen. Sie beleuchten das Risiko einer Kontamination beim Schleusen von Geräten und Material in Reinräumen betrachten und hinterfragen kritisch die Notwendigkeit von Materialströmen:

„4.10 The transfer of equipment and materials into and out of the cleanrooms and critical zones is one of the greatest potential sources of contamination. Any activities with the potential to compromise the cleanliness of cleanrooms or the critical zone should be assessed and if they cannot be eliminated, appropriate controls should be implemented.“

„4.11 The transfer of materials, equipment, and components into an aseptic processing area should becarried out via a unidirectional process. Where possible, items should be sterilized and passed into the area through double-ended sterilizers (e.g. through a double-door autoclave or depyrogenation oven/tunnel) sealed into the wall. Where sterilization on transfer of the items is not possible, aprocedure which achieves the same objective of not introducing contaminant should be validated and implemented, (e.g. using an effective transfer disinfection, rapid transfer systems for isolators or, for gaseous or liquid materials, a bacteria-retentive filter).“


Weitere Änderungen

Weitere Änderungen im Bereich der Räumlichkeiten umfassen:

  • Die Anforderung, dass Personal- und Materialschleusen getrennt werden müssen. Ist dies nicht möglich, sollte eine zeitbasierte Trennung in Betracht gezogen werden.
  • Die Nutzung separater Schleusensysteme (eine für den Eintritt des Personals, eine für den Ausgang des Personals), in den Reinräumen der Klasse B ist wünschenswert, wenn die Risikobewertung zeigt, dass das Risiko einer Kreuzkontamination hoch ist.
  • Es wurde in der ersten Version empfohlen, die Druckdifferenz zwischen benachbarten Räumen mit unterschiedlichen Qualitäten zwischen 10 und 15 Pascal (Führungswerte) zu belegen. Revision zwei weist jetzt nur noch auf mindestens 10 Pascal (Führungswert) hin.
  • In Revision eins war die Anforderung zur Visualisierung von Luftströmen nur für die Reinraumklassen A und B erforderlich. In Revision zwei ist die Visualisierung von Luftströmen für alle Klassen (A/B/C/D) und Zonen erforderlich.
  • Visualisierungen mussten unter "dynamischen" Bedingungen in Revision eins durchgeführt werden. Revision zwei erfordert, dass diese Studien sowohl "in Ruhe als auch in Betrieb" durchgeführt werden.
  • Es wurde ein Abschnitt über Alarme und Alarmverzögerungen (Zeilen 308 bis 312) hinzugefügt.
  • Die Anforderung für die Gestaltung von Räumen, die die Beobachtung von außerhalb ermöglichen sollte, umfasste zunächst alle reinen Bereiche. In Revision zwei wurde dies auf die Reinraumbereiche A und B reduziert. Dies gilt aber nur bei einer Neubauplanung oder bei einer umfassenden Revision des Betriebes.

Barrieresysteme

Im Gegensatz zur ersten Überarbeitung gibt es eine Reihe kleiner Änderungen im Abschnitt Barrier Technologie. Vor allem aus Sicht der Risikobewertung. Die Änderungen umfassen:

  1. Revision eins deutete darauf hin, dass wenn Restricted Access Barrier Systems (RABS) für die aseptische Verarbeitung verwendet werden, die Hintergrundumgebung Klasse B erfüllen sollte. Revision zwei erfordert "mindestens" Klasse B.
  2. Die Hintergrundumgebung für offene Isolatoren wurde erweitert um Klasse C UND D. In Revision 1 war dies nur Klasse D. Darüber hinaus muss diese Entscheidung auf einer Risikobewertung beruhen.
  3. Integritätsprüfungen von Barriere- und Isolatorsystemen sowie Dichtheitsprüfungen wurden in Revision eins empfohlen. Diese sollten durch visuelle, mechanische und physikalische Tests durchgeführt werden. In Revision zwei muss nachgewiesen werden, dass sie für die Aufgabe und die Kritikalität geeignet sind.
  4. Die Handschuhwechsel-Frequenz muss im CCS definiert werden.
  5. Weitere Details sind für die Dekontaminationsmethoden von RABS und Isolatorsystemen in zwei Punkten enthalten (Zeile 369 bis Zeile 377).
  6. Die Anforderung für die Clean Hold Time Validierung bei RABS oder Isolator vor dessen erster Verwendung wurde hinzugefügt.

Reinraum-Qualifizerung

Im Abschnitt über die Qualifizierung des Reinraumes wurden wesentliche Änderungen am Text, an der Tabelle und an der Eignung für die Qualifizierung enthaltener Elemente vorgenommen. Die erste Änderung im Gegensatz zur ersten Revision, ist das Hinzufügen einer Liste, welche bei der Qualifizierung von Reinräumen abgearbeitet werden sollte:

  • Filterleckage und Integritätsprüfung
  • Luftstrommessung – Volumen und Geschwindigkeit
  • Luftdruck- und Differenzdruckmessung
  • Luftstromrichtung und Visualisierung
  • Mikrobielle Luft- und Oberflächenkontamination
  • Temperaturmessungen
  • Relative Feuchtemessungen (RH)
  • Erholzeitmessungen
  • Containment-Lecktests

Im Kapitel zur Qualifizierung der Reinräume wird, wie bisher auch, auf die ISO 14644 verwiesen. Allerdings wird ebenfalls wie bisher auf die Messung der Partikelgrößen 0,5 und 5 µm verwiesen:

" 4.29 For cleanroom classification, the airborne particulates equal to or greater than 0.5 and 5 µm should be measured. For Grade A zone and Grade B at rest, classification should include measurement of particles equal to or greater than 0.5 µm; however, measurement using a second, larger particle size, e.g. 1 µm in accordance with ISO 14644 may be considered. This measurement should be performed both at rest and in operation."

Für die Reinraumklassifizierung sollten die luftgetragenen Partikel gleich oder größer als 0,5 und 5 µm gemessen werden. Für die Zone der Klasse A und die Klasse B im Ruhezustand sollte die Klassifizierung die Messung von Partikeln gleich oder größer als 0,5 µm umfassen. Es kann jedoch eine Messung mit einer zweiten, größeren Partikelgröße, z. B. 1 µm gemäß ISO 14644 in Betracht gezogen werden. Diese Messung sollte sowohl in Ruhe als auch im Betrieb durchgeführt werden. Die maximal zulässige Partikelkonzentration in der Luft für jede Klasse ist in Tabelle 1 angegeben. Der aktuell bestehende Unterschied zur ISO 14644, die nur auf eine der beiden Größen referenziert, bleibt damit aktuell noch erhalten.

Ein zentrales Dokument ist die DIN ISO 14644-1, die sowohl vom europäischen als auch US-amerikanischen Guide zur Klassifizierung von Reinräumen herangezogen wird. Die Tatsache, dass die Grenze für 5 µm Partikel aus der Klasse ISO 5 (ISO 4.8) im ersten Entwurf gestrichen wurde, war sehr positiv zu bewerten. Abweichungen bei 0,5 und 5 µm Partikeln gehen im Wesentlichen parallel, so dass man auf die Grenze für 5 µm Partikel verzichten kann – im Besonderen bei den Qualifizierungsmessungen.

Die aktuelle Änderung, hin zu einem erneuten Kompromiss (1 µm Partikel – wenn man dies für wichtig erachtet), aufgrund der Einsprüche zu diesem Thema, ist für den Autor nicht nachvollziehbar. Zumal die 5 µm Partikelmessung im Routinebetrieb die regulatorische Lücke geschlossen hätte und es wäre den Betreibern weiterhin möglich gewesen, diese Partikelfraktion zu messen. Stattdessen wurde die Möglichkeit gegeben, eine weitere Partikelfraktion zu messen. Die Grenzwerte dazu wurden aber indirekt offenen gelassen. Die „Wieder“-Einführung der „alten“ Grenzwerte aus dem aktuellen gültigen Annex 1 in den unteren Reinraumklassen zeigt einmal mehr die Uneinigkeit der Ersteller und sorgt nach Auffassung des Autors für starke Unstimmigkeiten, anstatt für Klarheit.

Lesen Sie in einer der kommenden LOGFILE-Ausgaben den vierten Teil unserer Serie zum neuen Entwurf des Annex 1 mit weiteren Analysen zu Abschnitt 5 Ausrüstungen, Abschnitt 6 Utilities und Abschnitt 7 Personal.



Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

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