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Was ist neu im zweiten Entwurf des Annex 1? Teil 4

Was ist neu im zweiten Entwurf des Annex 1? Teil 4

On dealing with risks in the manufacture of medicinal products

6 Min. Lesezeit | von Ruven Brandes
Erschienen im LOGFILE Leitartikel 18/2020

In einer Reihe von LOGFILE-Artikeln stellen wir Ihnen die wichtigsten Änderungen im neuen Entwurf des Anhangs 1 zum EU-GMP Leitfaden vor.

Im ersten Teil der Reihe hat unser Autor Ruven Brandes die neue Struktur des Annex 1, seinen erweiterten Anwendungsbereich sowie die besondere Betonung von Qualitätsrisikomanagement und Contamination Control Strategy erläutert (LOGFILE 10/2020). 

Im zweiten Teil ging es um relevante Änderungen des Abschnittes „Grundsätze“. Weiterhin wurden Änderungen im Abschnitt 4 Räumlichkeiten vorgestellt (LOGFILE 12/2020).

Der dritte Teil drehte sich unter anderem um weitere Neuerungen im Abschnitt „Räumlichkeiten“. Es wurden Änderungen bezüglich der Luftgeschwindigkeit und zur Reinraumqualifizierung herausgestellt (LOGFILE 14/2020).

Im heutigen vierten Teil erfahren Sie, was es im Abschnitt „Ausrüstung“ für bemerkenswerte Änderungen gibt, welche Änderungen der Abschnitt „Utilities“ mit sich bring und was beim Personal zu beachten ist.

Im Februar 2020 wurde der zweite Entwurf des überarbeiteten EU-GMP-Anhangs 1 zur Herstellung steriler Arzneimittel veröffentlicht. Dieser steht nun bis zum 20.07.2020 zur Konsultation (Frist wurde um zwei Monate verlängert). Ausgewählte Organisationen und Interessenträger können anhand eines Fragenkataloges den aktuellen Entwurf kommentieren. Eine öffentliche Kommentierung ist grundsätzlich nicht geplant. Anfragen dazu können aber an die EMA gestellt werden und müssen im Einzelfall genehmigt werden.


Ausrüstung

Obwohl der Abschnitt Ausrüstung zwischen Revisionen eins und zwei weitgehend gleichgeblieben ist, wurden in der zweiten Revision einige kleinere Details hinzugefügt. Die bemerkenswerteste Änderung betrifft die Sterilisation von Geräten. Während in der Revision eins nur die kritische Oberfläche mit direktem Kontakt sterilisiert werden musste, müssen bei Revision zwei direkte und indirekte Kontaktteile sterilisiert werden! Eine äußerst bemerkenswerte Neuerung, welche im aseptischen Herstellungsbereich regulatorische Lücken schließt.

„5.5 Direct and indirect contact parts should be sterilized. Direct contact parts are those that the product passes through, such as filling needles or pumps. Indirect product contact parts are equipment parts that come into contact with sterilized critical items and components“.

Eine kleine Änderung betrifft die Anforderung, dass die Überwachung der Geräte in der Benutzeranforderungsspezifikation (User Requirements Specification, URS) sowie in den frühen Entwicklungsstadien definiert werden und dann während der Qualifizierung überprüft und bestätigt werden muss.

Ein Absatz wurde aus Revision eins entfernt:

„6.4 When equipment maintenance has been carried out within the clean area, the area should be cleaned, disinfected and/or sterilized where appropriate, before processing recommences if the required standards of cleanliness and/or asepsis have not been maintained during the work“.

Die Änderung der Revision zwei hinsichtlich der direkten Partikelmessung, geht fast ein wenig im Gesamtkontext unter. Es wird eine Schlauchlänge zur kontinuierlichen Partikelmessung vorgegeben. Diese Länge lehnt sich an der ISO 14644 an und ist auf einem Meter begrenzt. Dies ist eine weitere Klarstellung gegenüber den vorherigen Versionen und ist nur zu begrüßen, um die Diskussions-Thematik zum „Absetzten“ großer Partikel (5 µm) entgegen zu wirken.

In diesem Kontext wurde aber auch der Biegeradius vorgeben. Der Autor hält eine direkte Vorgabe des Radius für nicht zielführend, da die Umstände vor Ort immer unterschiedlich sind, um diesen Radius einzuhalten. An dieser Stelle wäre ein risikobasierter Ansatz zielführender. Zumal der Radius von 15 cm auf den einen Meter bezogen ist, was eine deutliche Biegung darstellt und das Aufkonzentrieren von Partikeln an dieser Stelle nicht unbedingt behoben wird. Sie könnte sogar noch verstärkt werden. Eigentlich wollte man mit einem vorgebebenen Radius diese Problematik verhindern.

„5.9 Particle counters, including sampling tubing, should be qualified. The tubing length should be no greater than 1 meter with a minimum number of bends and bend radius should be greater than 15 cm. Portable particle counters with a short length of sample tubing should be used for classification purpose. Isokinetic sampling heads should be used in unidirectional airflow systems and should be positioned as close as possible to sample air representative of the critical location“.


Utilities

Rohre, Kanäle und andere Versorgungseinrichtungen sollten nicht in Reinräumen vorhanden sein. Wenn es unvermeidbar ist, dann sollten diese so installiert werden, dass diese keine Aussparungen, unversiegelte Öffnungen und Oberflächen die schwer zu reinigen sind, haben. Die Installation sollte die Reinigung und Desinfektion der Außenfläche der Rohre ermöglichen. Eine sehr schwierig umzusetzende Forderung in der Praxis. Zumal die Versorgungseinrichtungen nicht immer leicht erreichbar sind.

Es gibt eine zusätzliche Anforderung für das Aufzeichnen kritischer Parameter. Dies wird als ein wichtiger Schritt angesehen, damit Alarme überprüft werden können. Hier gilt es festzustellen, ob es sich um spezifische oder um gehäufte Ursachen handelt. Die alarmbasierte Überwachung wird besonderes bei der Herstellung von Wasser für Injektionszwecke (WFI) herausgestellt. Dies liegt daran, dass diese Art von Prozessanalysetechnologie, die eine kontinuierliche Überwachung ermöglicht, als besser angesehen wird als die Art der diskreten Überwachung.

Die wichtigste Änderung bei Wassersystemen folgt der Aktualisierung der Europäischen Pharmakopöe, die die Herstellung von WFI durch andere Methoden als die Destillation ermöglicht. Aufgrund nicht näher spezifizierter Hinweise hinsichtlich des Biofilmwachstums an Filtern und des potenziellen Endotoxinrisikos empfiehlt die Revision zwei, dass weitere Techniken wie Nanofiltration und Ultrafiltration in Verbindung mit funktionierenden Umkehrosmosemembranen in Betracht gezogen werden können.

Im Rahmen der Konstruktionskontrollen verlangt die Revision zwei, dass sich das Wasser in einem turbulenten Fluss durch Verteilungssysteme bewegt (wodurch das Risiko einer mikrobiellen Adhäsion und damit der Biofilmentwicklung minimiert werden soll) und dass eine Dekontaminationsmethode verwendet wird. Als Beispiel ist das Halten von Wasser bei 70 °C oder höher vorgesehen. Eine weitere Kontrollmaßnahme für Wassersysteme ist die Filterintegrität des Luftfilters. Im Abschnitt 6.11 heißt es:

„6.11 Where WFI storage tanks are equipped with hydrophobic bacteria retentive vent filters, the filters should be sterilized and the integrity of the filter tested before installation and after removal following use“.

Der Filterintegritätstest ist „vor Einbau“ und „nach Ausbau“, nicht nach Nutzung durchzuführen. Dadurch ist eine reine offline-Testung möglich. Dies ist zu begrüßen, da vorher von „nach Nutzung“ gesprochen wurde, was schlicht nicht möglich war.

Neu ist der Punkt 6.7 in der Revision zwei. Es sollen Partikel im Wassersystem vermieden werden. Allerdings gibt es keine Spezifikation für Partikel in einer Reinstwasser-Monografie. Damit kann es als risikobasierte eigene Festlegung angesehen werden.

6.7 Water treatment plant and distribution systems should be designed, constructed and maintained to minimize the risk of particulates, microbial contamination/proliferation and pyrogens (e.g. sloping of piping to provide complete drainage and the avoidance of dead legs), and prevent the formation of biofilms to ensure a reliable source of water of an appropriate quality. Where filters are included in the system, special attention should be given to the monitoring and maintenance of these filters. Water produced should comply with the current monograph of the relevant Pharmacopeia.

Der in der Revision eins oft falsch verstanden Probezugumfang zu WFI und die Diskussion um das Ausgangswasser zur Herstellung von WFI wurde behoben.


Personal

Der größte Teil des Entwurfs ist dem Personal gewidmet. Der Abschnitt enthält die Aufforderung, die Anzahl der Personen zu begrenzen, die eingeschleust werden dürfen. Die Empfehlung lautet, dass die Personalzahlen, insbesondere in sterilen Fertigungsbereichen auf der Grundlage einer Risikobewertung minimiert werden sollen. Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass das größte Risiko einer mikrobiellen Kontamination in Reinräumen von Menschen ausgeht.

In Bezug auf die Kontrolle des Zugangs zu Reinräumen wird auf die Bedeutung einer laufenden Qualitätssicherung hingewiesen.

Wie erwartet spielt die Ausbildung im Personalbereich eine wichtige Rolle. Dies gilt für alle, die den Reinraum betreten, einschließlich Reinigungs- und Wartungspersonal.

Das Minimum für ein Schulungsprogramm ist wie folgt festgelegt: 

  • Hygiene
  • Reinraumpraktiken
  • Kontaminationskontrolle
  • aseptische Techniken
  • Grundelemente der Mikrobiologie

Für den Zugang zu den höherwertigen Reinräumen (Klasse A und B) für die Arbeit an aseptischen Produktionslinien wird erwartet, dass das Personal aseptische Prozessqualifikationen besitzt (z. B. durch Media Fill). Für das Einschleusen von Wartungspersonal - „unqualifiziertes Personal“ - wird bei außergewöhnlichen Umständen eine Ausnahme gemacht. Ein Verfahren muss für diesen Fall etabliert sein. Weiterhin ist es möglich qualifiziertes Personal zu disqualifizieren, wenn das Personal z. B. die Vorgaben zum Personalmonitoring bei einer Personalqualifizierung mehrmals hintereinander nicht einhält.

Die Vorgaben für den Zugang zu den Bereichen der Reinraumklassen B und C wurden verstärkt. Die Revision zwei besagt, dass „Outdoor-Kleidung“ nicht in Umkleideräume Klasse C gebracht werden dürfen. Hier soll es sich schon um „Reinraumkleidung handeln“. Mit dem Eintritt in die Umkleidebereiche der Klasse B muss ein separater Weg rein und ein separater Weg raus geschaffen werden. Die Forderung, dies auch in Bereichen der Klasse C hinzuzufügen, wurde fallengelassen. Umsetzbar ist dieses System nur, wenn alle Randbedingungen mit betrachtet werden. So muss das Kleidungskonzept, das Druckkonzept und das Schleusverhalten des Personals angepasst werden. Nach Auffassung des Autors ist dies eine Kompromisslösung hinsichtlich der Kreuzkontaminationsgefahr und leider nicht vollständig zu Ende gedacht. Zumal dieses Konzept baulich kompliziert umzusetzen ist.

Für die Bekleidung wurden in der Revision zwei folgende Merkmale etabliert:

  • Die Bekleidung muss geeignet sein, damit die Bediener arbeiten können. Die Bewegungen, die ausgeführt werden müssen, müssen diesbezüglich berücksichtigt werden.
  • Die Bekleidung muss eine geeignete Größe haben.
  • Die Bekleidung darf das Produkt nicht beeinflussen (dies ist ein Hinweis auf das Risiko, dass Fasern aus Bekleidung freigesetzt werden und in das Produkt geraten können.
  • Die Bekleidung muss vor dem Betreten des Reinraums auf ihre Eignung (z. B. keine Anzeichen von Beschädigungen) geprüft werden. Es gibt einen Hinweis, dass die visuelle Inspektion möglicherweise nicht ausreicht, um die Integrität der Bekleidung zu beurteilen. Es gibt jedoch keine weiteren Hinweise, wie dieses Problem gelöst werden soll. Auch für die Inspektion von Reinraumkleidung, welche steril geliefert wird und für die aseptische Fertigung bestimmt ist, stellt sich die Frage nach der Machbarkeit. Der Hinweis auf eine Kombination von visueller Inspektion und mikrobiologischem Monitoring wirkt etwas zu kurzgedacht.
  • Bekleidungen müssen in speziellen Wäschereien verarbeitet werden und der Prozess der Reinigung, Inspektion und Sterilisation der Bekleidung muss qualifiziert sein.

Lesen Sie in einer der kommenden LOGFILE-Ausgaben den fünften Teil unserer Serie zum neuen Entwurf des Annex 1 mit weiteren Analysen zu Abschnitt 7 Personal, Abschnitt 8 Produktion und Spezifische Technologien und Abschnitt 9 Monitoring.



Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

Dr. Petra Rempe
Dr. Petra Rempe

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