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Grundlage der Reinigungsvalidierung: PDE-Grenzwertsetzung

Grundlage der Reinigungsvalidierung: PDE-Grenzwertsetzung

Ein Auszug aus der SOP-505-02 Reinigung und Reinigungsvalidierung, Kapitel 6.3 und 6.3.1.
 

8 Min. Lesezeit | von Cornelia Wawretschek, Dr. Jens Hrach
Erschienen im LOGFILE 32/2021

6.3 Reinigungsvalidierung


Zu den Grundlagen einer Reinigungsvalidierung gehört die Grenzwertsetzung für mögliche Kreuzkontaminanten im Folgeprodukt. Die bisher verwendeten Krite­rien 1/1000 Dosis und 10 ppm beruhen nicht auf wissenschaftlichen Fakten und sind seit der Neuerung der GMP-Regularien nicht mehr als Akzeptanzkriterien zu verwenden. Das Akzeptanzkriterium "sichtbar sauber" als alleiniges Kriterium ist nicht mehr akzeptabel; die bisherigen Berechnungen des 1/1000-Dosiskriteriums und des 10 ppm-Mengenkriteriums wurden durch den wissenschaftsbasierten Grenzwert für die tägliche Exposition (PDE (Permitted Daily Exposure)) abgelöst. Die PDE-Ermittlung stützt sich auf wissenschaftliche Daten wie z.B, die in toxiko­logischen Studien generierten Daten und enthält im Kern eine Risikobetrachtung.

Rückstände von Wirkstoffen und Reinigungsmitteln werden in gleicher Weise betrach­tet. Die PIC/S Richtlinie PI 006 fordert in Kap. 7.9.1: „Die Wirksamkeit eines Reinigungsverfahrens im Hinblick auf die Beseitigung von Reinigungsmittelrückständen sollte untersucht werden. Es sollten Grenzwerte für Reinigungsmittelrückstände nach der Reinigung festgelegt werden. Im Idealfall sind keine Rückstände nachzuweisen. Die Möglichkeit des Abbaus von Reinigungsmitteln sollte bei der Validierung von Reinigungsverfahren ebenfalls in Betracht gezogen werden.“

Die bislang genutzte Methode, den LD 50 zur Grenzwertberechnung heranzuziehen entspricht nicht dem heutigen Standard und dem aktuellen Stand der Technik. Per Definition soll die Einhaltung des PDE-Grenzwertes bei chronischer, also täglicher Exposition einen Schutz bieten. Der LD50 resultiert aus Hochdosis-Versuchen und beschreibt die für 50% der Tiere einer Studie tödliche Dosis. Hieraus lässt sich nicht solide auf chronische Effekte rückschließen.


6.3.1 Grundsätze

Sämtliche Reinigungsverfahren für Ausrüstungen, deren Oberflächen Produktkontakt haben, werden validiert. Unter Ausrüstung versteht man dabei alle zur Herstellung und Primärverpackung erforderlichen Bestandteile. Dazu gehören auch Hilfsmittel (Schaufeln, Müllerfass etc.), die beim Herstellungsprozess oder der Probenahme benö­tigt werden.

Die Reinigungsvalidierung umfasst:

  • die Ableitung eines gesundheitsbasierten Grenzwertes für Kreuzkontaminanten (PDE (Permitted Dosis Exposure)). Sämtliche Stoffe, deren Rückstände in ein Folgeprodukt gelangen können, werden risikobasiert betrachtet (siehe SOP 103 „Qualitäts­risikomanagement“).

    Dazu gehören:
    • Wirkstoffe
    • Reinigungsmittel
    • mögliche Abbauprodukte

Die Abreinigung ausgewählter Ausgangsstoffe (z.B. geruchs- oder farbintensive Hilfsstoffe) wird ebenfalls validiert; deren Grenzwertsetzung sowie die Methode zur Überprüfung des Reinigungserfolgs ist nicht Bestandteil dieser SOP.


Annex 15, Kapitel 10.6 verweist auf die Anforderungen der „PDE-Leitlinie“. Dies bedeutet für ein Unternehmen: In einem ersten Schritt muss für alle verwendeten Wirk­stoffe und Reinigungsmittel die PDE-Werte ermittelt werden, unabhängig davon, ob diese als hochtoxisch eingeschätzt werden oder nicht.

Andere Ausgangsstoffe wie z.B. geruchs- oder farbintensive Hilfsstoffe werden in der GMP-Leitlinie nicht explizit erwähnt. Deren Auswahl erfolgt wie bisher risikobasiert z.B. aus hygienischen oder optischen Gründen. Die Tatsache, dass man eine Substanz sehen oder riechen kann ist hat keinerlei Aussage hinsicht­lich ihrer Sicherheit des Patienten (siehe Pkt. 6.3.2).

Sind auch andere Methoden zur Grenzwertermittlung erlaubt? Die „PDE-Leitlinie schreibt dazu eingangs: „Eine Abweichung von dem in dieser Leitlinie darge­stellten Hauptansatz zur Ableitung solcher sicherer Schwellenwerte kann bei angemessener Begründung akzeptiert werden.“ Dieser Satz der PDE-Leitlinie darf jedoch nicht so verstanden werden, als könnte von einer Grenzwertsetzung abgesehen werden; vielmehr geht es um die Methodik, wie dieser ermittelt wird! Der in der Leitlinie dargestellte Hauptansatz ist lediglich ein Weg, um einen solchen PDE (also einen Grenzwert) abzuleiten. Faktisch bedeutet dieser Satz: „Wir brauchen einen Grenzwert. Wie Sie den Grenzwert ermitteln ist Ihnen überlassen, solange Sie den Wert wissenschaftlich begründen können.“ Hier erlaubt die PDE-Leitlinie andere Methoden wie das sogenannte Occupational Exposure-Banding oder das Konzept des Threshold of Toxicological Concern (TTC) um solche Grenzwerte abzuleiten.


  • die Festlegung der kritischen Produkte für die jeweilige Ausrüstung (Ermittlung der Leitsubstanz(en)),
  • die Berechnung des maximal zulässigen Rückstands (MZR) in der betreffenden Ausrüstung unter Berücksichtigung der produktberührenden Oberfläche,
  • die Identifizierung der kritischen Stellen der Ausrüstung für die Probenahme und
  • die Probenahme und Analyse der Rückstände.
  • Aus den ermittelten Ergebnissen werden Rückschlüsse auf die Gesamtheit der betrachteten Ausrüstung gezogen.

Zwar müssen gemäß PIC/S PI 006, Kap. 7.3.1 „… nur Reinigungsverfahren für Ausrüstungsoberflächen, mit denen das Produkt in Kontakt kommt, validiert werden. Allerdings sollten auch Bereiche, mit denen kein direkter Kontakt besteht, in die das Produkt aber wandern könnte, Berücksichtigung finden. Dies schließt z.B. Dichtungen, Flansche, Mischerwellen, Heizgebläse, andere Heizele­mente, etc. ein.“


  • Verantwortlich für die Reinigungsvalidierung ist der Leiter des Zuständigkeitsbereiches (LdH, LdQ, Leiter F&E).
  • Projekte zur Reinigungsvalidierung werden durch interdisziplinäre Teams durchgeführt. Geleitet werden diese Teams durch den Validierungskoordinator, in enger Zusammenarbeit mit dem Geräteverantwortlichen. In Abhängigkeit von der Fragestellung gehören zu dem Team Mitarbeiter der Qualitätssicherung, Produktion, Technik, Qualitätskontrolle, Mikrobiologie, Produktionsplanung und mehr.

Vielfach werden der Validierungskoordinator (in manchen Firmen auch Validie­rungsbeauftragter genannt) und der Geräteverantwortliche ein und dieselbe Per­son sein. In jedem Fall aber ist es unabdingbar, den Geräteverantwortlichen in ein Reinigungsvalidierungsprojekt einzubeziehen und seine Fachkompetenz zu nutzen.


  • Für Reinigungsverfahren, die für Dedicated Equipment, d.h. produktspezifische Ausrüstung, verwendet werden, besteht keine generelle Validierungspflicht hinsichtlich der Wirkstoffrückstände, allerdings muss das Risiko einer Qualitätsbeeinträchtigung durch mögliche Abbauprodukte berücksichtigt werden. In jedem Fall müssen Reinigungsmittelrückstände und mikrobiologische Verunreinigungen betrachtet werden.
  • Während der präklinischen Entwicklung besteht keine Validierungspflicht. Der Reinigungserfolg wird mittels Dekontaminationsnachweis, bestehend aus visueller Überprüfung des Reinigungserfolgs (visually clean) und ggf. einem Swab-Test (Wischprobe), überprüft.
  • Der Umfang der Reinigungsvalidierung für Klinische Prüfpräparate wird risikobasiert ermittelt (SOP 103 Qualitätsrisikomanagement“).

Die PDE-Leitlinie unterscheidet nicht zwischen früher und später Phase der Ent­wick­lung. Sobald GMP anzuwenden ist, wird eine Sicherheitsbewertung der Substanz basierend auf dem zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Datensatz erfor­derlich. Der Vorwand „Wir haben aber keine Daten“ ist nicht solide, denn ohne Daten würde keine klinische Studie genehmigt.

Um Grenzwerte trotz ggf. bestehender Datenlücken ableiten zu können stehen dem Toxikologen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: So vorhanden, kann er beispielsweise auf Daten der Substanzklasse zurückgreifen (Read-Across) oder sich auf in der frühen klinischen Phase oftmals schon vorhandene erste Tierstu­dien und metabolische Analysen beziehen. Anhand eine Strukturanalyse (Quanti­tative Structure-Activity Relationship (QSAR)) lassen sich weitere Hinweise auf ein mögliches toxikologisches Potential der Substanz ableiten. Generell ist bei der Ableitung von Grenzwerten (speziell bei einem lückenhaften Datensatz) Erfah­rung und toxikologischer Sachverstand von Nöten.

Sind in frühen Entwicklungsstadien Toxizität und Wirksamkeit neuartiger Wirk­stoffe noch unzureichend bekannt, wird infolge dessen die Bewertung anfangs entsprechend „konservativ“ ausfallen. Im Laufe der Entwicklung werden zusätzliche sicherheitsrelevante Daten erhoben (Tierstudien, klinische Daten). Es kann sich im Hinblick auf die Sicherheitsbewertung durchaus lohnen, nach Verfüg­barkeit weiterer Studiendaten die Substanz erneut zu bewerten. Gege­benenfalls lassen sich mit den neuen Daten einige Datenlücken schließen und somit einige Unsicherheiten „herauszurechnen“. Daraus folgt: Der PDE beschreibt eine Substanz­eigen­schaft, aber die Verfügbarkeit neuer Daten kann zu einer komplett neuen Bewertung führen.

Resultiert aus der Risikobetrachtung die Ansicht, dass ein sehr hohes Risiko besteht, dann wird man in der Regel im Kleinformat eher auf Dedicated Equipment (Schläuche, Filter), In-liner oder Kampagnenherstellung ausweichen, bevor man anfängt zu swabben.

Annex 15 berücksichtigt die Besonderheiten von Klinischen Prüfpräparaten: „Kapitel 10.3 Es wird allgemein anerkannt, dass es einige Zeit dauert, ein Reinigungsvalidierungsprogramm durchzuführen, und dass bei einigen Produkten, wie beispielsweise bei Prüfpräparaten, eine Validierung mit einer Verifizierung nach jeder Charge erforderlich ist. Es sollten ausreichend Daten aus der Verifizierung vorliegen, um die Schlussfolgerung zuzulassen, dass die Ausrüstung sauber ist und für eine weitere Verwendung zur Verfügung steht.“

Die PDE-Leitlinie lässt keinen Zweifel daran, dass immer ein Grenzwert benötigt wird, verweist jedoch im Vergleich zu der in der Guideline genannten Methode auf alternative Möglichkeiten der Ableitung für Substanzen mit Datenlücken. Hier kommt z.B. das TTC-Konzept (Threshold of Toxicological Concern) zum Tragen. Die Auswahl der Methodik sollte jedoch dem Experten überlassen werden.

Die eigentliche Reinigungsvalidierung im engeren Sinne erfolgt erst, wenn man auf die Pilot- oder Produktionsausrüstung umsteigt, um Prüfpräparate in größe­ren Mengen (für Phase II und III) herzustellen. Die Auswahl der Leitsubstanzen erfolgt risikobasiert (siehe Pkt. 6.3.2).


  • Um den Untersuchungsaufwand zu minimieren, wird ein Bracketing angewandt. Es werden sowohl eine begründete Anzahl kritischer Produkte (Worst-Case-Produkte) als auch Ausrüstungsteile mit vergleichbarem Design in die Validierung einbezogen, ausgehend von der Annahme, dass Wirkstoffe und Ausrüstung in den entsprechenden Gruppen vergleichbar sind.
  • Das Reinigungsverfahren muss i.d.R. dreimal hintereinander unter Berücksichtigung der maximalen Standzeit vor der Reinigung vollzogen und als erfolgreich eingestuft worden sein, um zu beweisen, dass es valide ist.
  • Die Durchführung der Reinigungsvalidierung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
    • Für die Ausrüstung muss eine gültige Qualifizierung (OQ) vorliegen und die Ausrüstung muss ordnungsgemäß gewartet und kalibriert sein.
    • Für das Personal, welches reinigt oder Reinigungsvalidierungsaktivitäten ausübt, wurde eine zeitnahe Schulung durchgeführt und dokumentiert.
    • Der Validierungsplan wurde erstellt und genehmigt.
    • Die Analysenmethoden wurden validiert.
    • Die Wiederfindungsraten wurden bestimmt.

Die Schulungsnachweise für alle durchgeführten Schulungen müssen verfügbar sein. Für das Gelin­gen eines Reinigungsvalidierungsprojektes ist es wichtig, nicht nur die Reini­gungs­an­weisungen sondern auch Probenahmepläne, Metho­denanweisungen sowie alle im Zusam­men­hang mit der Reinigungsvalidierung stehenden Anweisungen bereits vor Durchführung der Vali­dierung zu schulen.


 


Haben Sie Fragen oder Anregungen? Bitte schreiben Sie uns: redaktion@gmp-verlag.de

Cornelia Wawretschek
Cornelia Wawretschek

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