Kreuzkontamination durch hygienegerechte Konstruktion vermeiden
Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 4.C Hygienegerechte Konstruktion
Unter Hygienedesign versteht man die reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen, Komponenten und Produktionsanlagen. Daraus resultieren einfach zu reinigende, totraumarme Anlagen, die ein geschlossenes Design aufweisen.
Hygienisches Design ist in der Herstellung fester, flüssiger und aseptischer Arzneiformen von Bedeutung. Dabei können die Zielsetzungen unterschiedlich sein:
In all diesen Bereichen besteht die Gefahr einer Kreuzkontamination von Produkten. Diese muss gemäß den Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens unter allen Umständen vermieden werden (Part I, Kapitel 5.18). Die Verschmutzungen anschließend von allen Oberflächen zu entfernen, kann je nach Raum und Anlagenplanung sehr aufwändig und im schlimmsten Fall unmöglich sein. Daher sind wirksame Vorkehrungen zu treffen, um eine Kreuzkontamination von vornherein zu vermeiden.
Hierzu beschreibt der EU-GMP-Leitfaden in Kapitel 5.21 mehrere technische und organisatorische Maßnahmen. Dazu gehören auch der Einsatz geschlossener Systeme und die Verwendung reinigungsfreundlich konstruierter Ausrüstung. Auch wenn der Begriff „Hygienic Design“ an dieser Stelle nicht explizit genannt wird, ist das zu verwendende Anlagendesign vor diesem Hintergrund besonders wichtig und sollte schon im frühen Stadium einer Planung betrachtet werden. Oder anders gesagt:
Hygienic Design liefert einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen.
Bei der Umsetzung von Hygienic Design sind folgende Prinzipien zu beachten:
Die Umsetzung hygienegerechter Konstruktionsmerkmale bei Pharmaanlagen wird nachfolgend an einem Beispiel gezeigt.
Beispiel: Feststoff-Anlage
Bei der in Abbildung 1 gezeigten Anlage wurden folgende Merkmale eines Hygienedesigns umgesetzt:
Abbildung 1 Beispiel einer hygienegerecht konstruierten Feststoff-Anlage
Neben den technischen Maßnahmen beschreibt der EU-GMP-Leitfaden in Kapitel 5.21 auch organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Kreuzkontamination. Dort heißt es u.a.:
„Abhängig von dem Kontaminationsrisiko, Reinigungsnachweis von Flächen, die nicht mit dem Produkt in Kontakt gekommen sind, und Luftüberprüfung im Herstellungsbereich und/oder benachbarten Bereichen, um die Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen gegen durch die Luft übertragene Kontaminationen oder Kontaminationen durch mechanischen Transfer nachzuweisen.”
Diese Anforderung spielt beim Anlagen- und Raumdesign ebenfalls eine wichtige Rolle, denn sie betrifft alle nicht produktberührenden Oberflächen in Räumen oder Oberflächen an Apparaten, die kritisch für offene pharmazeutische Produkte sind. Hiervon betroffen sind auch Isolatoren in der aseptischen Herstellung, in denen sich der Füll- und Verschließbereich der Behältnisse (zum Beispiel Vials, Spritzen, Ampullen etc.) befindet. Auch der Prozess-Bereich in einem Lyophilisator ist davon betroffen.
Die Anforderungen an das Hygienedesign wurden auch verstärkt durch die im November 2014 von der EMA veröffentlichte Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities. Diese Leitlinie ist Bestandteil des EU-GMP-Leitfadens Teil III. Die zentrale Forderung der EMA-Leitlinie besteht darin, dass bei der pharmazeutischen Herstellung in gemeinsam genutzten Anlagen für jedes Produkt ein PDE-Wert (Permitted Daily Exposure) vorliegt. Anhand des PDE-Wertes werden Grenzwerte für die Reinigung sowie die Kreuz-Kontamination vom vorhergehenden zum nächsten Produkt festgelegt.
Auch die PIC/S hat die Anforderungen aufgegriffen und 2018 das Aide-mémoire on cross-contamination in shared facilities (PI 043-1) herausgegeben
Sollen alle diese Aspekte bei technischen Lösungen in vollem Umfang integriert werden, müssen sie bei der Planung und Konstruktion von neuen Maschinen und Räumen von Anfang an mit berücksichtigt werden. Raum und Maschinenfunktionen sind in jeder Phase ihrer Entwicklung auf Hygienic Design-Tauglichkeit zu prüfen. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit einer zügigen und effektiven Reinigung sowie bei produktberührten Oberflächen einer Sterilisation. Nur so kann schließlich ein Raum sowie eine Maschine entstehen, deren Funktionalität sich ebenso perfekt darstellt wie die hygienegerechte Gestaltung.
Für die optimale Planung und Ausführung einer pharmazeutischen Anlage ist immer eine Kombination aus verfahrenstechnischem und anlagenplanerischem Know-how mit den speziellen pharmazeutischen Fachkompetenzen erforderlich. Das Projektteam sollte daher aus Verfahrenstechnikern, Pharmaingenieuren und Spezialisten der jeweiligen Fachdisziplinen (zum Beispiel Qualitätssicherung, Environment Health and Safety etc.) bestehen. In einem derart multidisziplinären Team können Fragen der Prozessautomation, Architektur (Raumplanung, Zonenkonzept), sowie zur Qualifizierung und Validierung der Anlagen kompetent beantwortet und in einer Risikobetrachtung dokumentiert werden. Bei der Gestaltung und Konstruktion von Räumen und Anlagen stellt das Hygienic Design allerdings nur einen Teilaspekt dar. Weitere wichtige Aspekte sind:
Die spezielle fachliche Expertise ist bei einem Hygienic Design-Projekt unverzichtbar. Zu den weiteren Erfolgsfaktoren gehören - wie bei anderen Projekten auch –
und letztendlich eine GMP-konforme Qualifizierung.
Möchten Sie mehr erfahren über die technischen Grundlagen und die anwendungsorientierte Umsetzung von Hygienedesign?
Im Kapitel 4.C des GMP-BERATERs werden wichtige Konstruktionsmerkmale für das hygienische Design erläutert am Beispiel von verschiedenen Verbindungstypen, Förder- und Dosiersystemen sowie Reinrauminstallationen. Auch die Anwendung von Hygienic Design bei Prozessanlagen für die Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln wird anhand von Beispielen gezeigt.
Hygienic Design ist ein Thema, das für die Pharmabranche von zunehmender Bedeutung ist, denn immer mehr neu entwickelte Wirkstoffe zählen zu den hochaktiven Substanzen.
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