Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem GMP-BERATER, Kapitel 4.I Containment (Bedienerschutz) für Wirkstoffe, Solida und Bio-Pharmazeutische Produkte
Dies wird uns gerade jetzt in der „Corona-Krise“ deutlich bewusst.
Im Jahr 2019 gab es weltweit mehr als 1.000 Projekte zur Entwicklung neuer Medikamente. Bei circa 70 % davon handelt es sich um Medikamente mit neuen Wirkstoffen. Davon entfallen circa 55 % auf die Behandlung von Krebs, Infektionen und anderen entzündlichen Krankheiten. Solche hochwirksamen Arzneimittel enthalten oft gefährliche und hochaktive Wirkstoffe. Beim Umgang mit diesen Substanzen sind besondere Schutzmaßnahmen erforderlich. Dazu zählt das Containment.
Containment bedeutet wörtlich „Zusammenhalten“ oder „Eindämmen“. In der Wirkstoff-, Pharma- und Bio-Pharmazeutischen Industrie versteht man darunter die Einhausung eines Herstellungsprozesses oder gefährlichen Ortes. Dabei hat Containment gleich eine doppelte Bedeutung, und zwar für den Gesundheitsschutz der Bediener und als Produktschutz. Das sicherste Containment erzielt man mit der Isolatortechnologie.
Isolatoren finden ihren Einsatz im Umgang mit toxischen und hochpotenten Stoffen sowie bei der Herstellung von sterilen Produkten. Während beim Umgang mit toxischen und hochpotenten Stoffen der Personenschutz im Vordergrund steht, geht es bei der Herstellung von sterilen Produkten in erster Linie um den Produktschutz. Der Personenschutz ist auch hier von Bedeutung, falls hochaktive/hochgefährliche Substanzen hergestellt werden. Personenschutz-Isolatoren findet man in fast allen Bereichen der pharmazeutischen Herstellung. Ein klassisches Beispiel ist die Einwaage von hochaktiven/hochgefährlichen Substanzen.
Abbildung 1 zeigt ein Isolator-System mit Handschuh-Eingriffen.
Abbildung 1 Isolator-System (Quelle: SKAN AG)
Ein Personenschutz-Isolator ist folgendermaßen aufgebaut:
Personenschutzisolatoren werden fast ausschließlich im Unterdruck betrieben. Die wesentlichen Elemente eines Isolators und ihre Funktionsweise werden nachfolgend vorgestellt.
Produkt-Transfer-System
Zum Ein- und Ausbringen von pharmazeutischen Produkten wie Wirkstoffen oder Utensilien gibt es unterschiedliche Transfersysteme, die mit der Isolatorhauptkammer verbunden sind. Nachfolgend wird eine Luftschleuse beschrieben (Abbildung 2).
Abbildung 2 Luftschleuse (Air-Lock) (Quelle: SKAN AG)
Die Luftschleuse ist direkt am Isolator angebracht und oftmals aus einem Teil mit der Hauptkammer des Isolators gefertigt. An der Vorderseite oder an der freien Seitenwand befindet sich eine Glastür, die ggf. mit einem Handschuh ausgestattet ist. In der Verbindung von der Luftschleuse zur Isolatorhauptkammer befindet sich eine weitere Tür. Die beiden Türen sind gegeneinander verriegelt, so dass zu keiner Zeit beide Türen geöffnet sind. Zwischen der Luftschleuse und der Isolatorhauptkammer herrschen unterschiedliche Drücke. Der Unterdruck (Personenschutz) in der Hauptkammer ist niedriger als der in der Luftschleuse. Die Luftschleuse verfügt über einen Zuluft- und ggf. einen Abluftfilter, oder es befindet sich eine Filtereinheit zwischen der Luftschleuse und der Isolatorhauptkammer, um die Luft zwischen der Luft-schleuse und der Isolatorhauptkammer zu zirkulieren.
Zum Einschleusen des Produktes oder der benötigten Utensilien wird die Tür an der Luftschleuse (zum Raum) geöffnet. Durch den Unterdruck im System findet eine leichte Luftbewegung von außen nach innen in die Luftschleuse statt. Das Produkt oder die Utensilien werden in die Luftschleuse gelegt. Nachdem die Tür wieder verschlossen und verriegelt ist, können durch den Handschuh noch Arbeiten in der Luftschleuse durchgeführt werden, ohne dass der Bediener mit der Substanz direkt in Berührung kommt. Anschließend wird die Tür zwischen der Luftschleuse und der Isolatorhauptkammer entriegelt und nun kann mit dem Handschuh die Tür an der Isolatorhauptkammer geöffnet werden. Mit dem gleichen Handschuh oder mit dem Handschuh an der Luftschleuse wird nun das Produkt oder die Utensilien in die Hauptkammer gezogen oder geschoben.
Glasscheibe und Handschuh-Anschlüsse
An der Bedienseite des Isolators befindet sich eine Glasscheibe mit Handschuheingriffen (siehe Abbildung 3). Die Glasscheibe wird benötigt, um dem Bediener einen Einblick in seine Arbeiten im Isolator zu ermöglichen. Sie sollte so groß wie möglich sein, damit alle Bereiche im Isolator eingesehen werden können. In fast allen Anwendungen kann die Glasscheibe geöffnet werden, damit z. B. Anpassungsarbeiten, Umbauarbeiten oder auch der Ausbau von Teilen einfacher durchgeführt werden können.
Abbildung 3 Handschuhe am Isolator (Quelle: SKAN AG)
Um das Öffnen der Glastüren zu ermöglichen, ist eine umlaufende Abdichtung zwischen der Glasscheibe und der Isolatorkammer erforderlich. Diese Abdichtung kann entweder eine statische Dichtung oder eine aufblasbare Dichtung sein. Beide Systeme finden Anwendung. Die Dichtung ist aus Containment-Sicht ein wichtiger und zugleich kritischer Bestandteil am Isolator.
Gleiches gilt für den Handschuhanschluss: Falls der Anschluss nicht fachgerecht ausgeführt ist, kann dies zu einem Containmentbruch führen. Handschuhe am Isolator sind zum Teil hohen Belastungen durch das Arbeiten im Isolator ausgesetzt. Deswegen müssen sie durch den Handschuh-Anschluss-Port sicher und fest integriert sein. Auch soll der Handschuh bei einem Defekt kontaminationsfrei gewechselt werden können. Um dies zu ermöglichen, werden von unterschiedlichen Herstellern verschiedene Möglichkeiten angeboten.
Handschuhprüfung
Je nach Ausführung des Isolators kann dieser wenige bis sehr viele Handschuheingriffe haben (Abbildung 3). Jeder dieser Handschuhe hat unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen bzw. wird auch von unterschiedlichen Mitarbeitern bedient. Handschuhe unterliegen Verletzungen und sollten daher regelmäßig auf Beschädigungen überprüft werden. Verletzungen am Handschuh und Handschuhärmel können an unterschiedlichen Positionen auftreten. Da Handschuhe durch ein Tauchverfahren hergestellt werden, sind die Materialstärken am Handschuh stärker als am Ärmel. Häufige Beschädigungsbereiche am Handschuh und Ärmel sind die Fingerspitzen sowie die Bereiche zwischen den Fingern. Auch der Schulterbereich am Ärmel ist empfindlich für Beschädigungen.
Der physikalische Test am Handschuh ermöglicht eine validierte Prüfung des Handschuhs und Ärmels. Idealerweise wird durch die Prüfung auch der Handschuh-Port mitgeprüft, um so auch die richtige Montage des Handschuhs und die Integrität des Handschuhs am Isolator zu prüfen. Die am häufigsten angewandte Methode ist die Druckhalte-Testmethode, bei der ein Testgerät an den zu prüfenden Handschuh mit Anschluss-Port angekoppelt wird (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4 Handschuhprüfgerät (Quelle: SKAN AG)
Nach dem Test wird das Ergebnis automatisch mitgeteilt und der Handschuh kann nach Beenden des Tests entweder weiterverwendet werden oder er muss ausgetauscht werden. Die Prüfung sollte vor und nach jeder Produktions-Charge oder bei Produktwechsel erfolgen.
Filtersysteme am Isolator
Um eine mögliche Produktkontamination im Isolator zu vermeiden, sowie auch eine Kontamination durch hochaktive/hochgefährliche Substanzen vom Inneren des Isolators nach außen zu unterbinden, werden geeignete Filter in die Isolatorkammer(n) integriert.
Um eine möglichst hohe Rückhaltung von hochaktiven/hochgefährlichen Stoffen zu erreichen, empfiehlt es sich, HEPA-Filter mit einem sehr hohen Abscheidegrad einzusetzen. Auch werden zwei in Reihe geschaltete Abluftfilter als Sicherheitsfunktion empfohlen.
Vor dem Einsatz sollten die Filter auf korrekten Einbau (Integrität) geprüft werden. Hierzu gibt es unterschiedliche Methoden. Die spezielle Herausforderung beim Einsatz von Filtern in Containment-Isolatoren ist der kontaminationsarme Wechsel der Filter. Hierzu gibt es ebenfalls mehrere Technologien.
Ein weiterer Schutz der Mitarbeiter kann der Einsatz von Roboter-Systemen im Isolator sein. Durch den Einsatz von Robotern werden manuelle Eingriffe in den Isolator mittels der Handschuhe vermieden. Auch kann durch den Einsatz von Robotern oder anderen Automatisierungs-Systemen die Anzahl der Handschuhe verringert werden bzw. komplett entfallen. Die Gefahr der Mitarbeiter, nahe an der hochaktiven/hochgefährlichen pharmazeutischen Substanz zu arbeiten, entfällt dadurch. Arbeits- und Prozess-Schritte können aus einer sicheren Entfernung überwacht werden.
Roboter haben sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Sie können mittlerweile auch komplexe Arbeits- und Prozess-Schritte durchführen, und sogar die anschließende Reinigung des Isolators sowie aller Einbauten validiert ausführen. Abbildung 5 zeigt einen Roboter beim Entleeren eines hochaktiven aseptischen Wirkstoffs aus Aluminiumkannen.
Abbildung 5 Roboter zur Handhabung von hochaktiven aseptischen Wirkstoffen in Aluminium-Kannen (Quelle: SKAN AG)
Möchten Sie mehr erfahren über wirksame Schutzmaßnahmen beim Umgang mit hochaktiven Substanzen? In Kapitel 4.I des GMP-BERATERs finden Sie alles Wichtige über Arbeitsplatzgrenzwerte, Containment-Einstufungen und konstruktive Lösungen für einen sicheren Produkttransfer. Neben der Isolatortechnologie stellt Richard Denk auch den Einsatz von Einwegtechnologien und neue, zukunftsweisende Ideen wie das prozessintegrierte Containment vor.
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