18.10.2022 | LOGFILE Leitartikel 39/2022

                                                                                              

PDE-Gutachten – das erwarten die Behörden

PDE-Gutachten – das erwarten die Behörden

9 Min. Lesezeit | von Dr. Sabine Paris

 

Mit der Revision der Kapitel 3 und 5 sowie des Annex 15 des EU-GMP-Leitfadens und der zugehörigen EMA-PDE-Guideline erfolgte im Jahr 2015 ein Paradigmenwechsel bei der Festlegung von Grenzwerten für die Reinigungsvalidierung.

Anstelle der zuvor genutzten Kriterien, wie z. B. 10 ppm oder 1/1.000 der therapeutischen Dosis des Vorprodukts, ist jetzt ausschließlich eine toxikologische Risikobewertung basierend auf PDE-Werten zulässig.

Egal, ob Sie die geforderten Bewertungen selbst erstellen oder diese von externen Toxikologen erstellen lassen – Sie sollten die Antworten auf diese zwei Fragen kennen: Welche Elemente muss ein PDE-Gutachten enthalten? Worauf achten GMP-Inspektor*innen?

Die folgende Übersicht zeigt, welche konkreten Anforderungen nationale und internationale behördliche Dokumente an PDE-Gutachten stellen.


EMA PDE-Guideline
(Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities, EMA/CHMP/ CVMP/ SWP/169430/2012, 2014)

  • Die Identifizierung des "kritischen Effekts" (die schädlichste Wirkung einer Substanz) sollte auf einer umfassenden Literaturrecherche basieren.
  • Die Suchstrategie und die Ergebnisse der Suche müssen eindeutig dokumentiert werden.
  • Diskussion über die Auswahl der kritischen Effekte und deren Referenzdosis (NOAEL, LOAEL)
  • Tier- und Humanstudien sollten mit der Originalreferenz belegt und hinsichtlich ihrer Qualität (Studiendesign, Befundbeschreibung, Genauigkeit des Berichts etc.) überprüft werden.
  • Die PDE-Bestimmungsstrategie sollte eine klare Begründung für die Sicherheitsfaktoren liefern, die bei der Ableitung der PDE-Werte angewendet wurden.
  • Um den GMP-Inspektoren einen Überblick zu geben, sollte die erste Seite eines PDE-Gutachtens eine Zusammenfassung des Bewertungsprozesses sein (siehe Abbildung 1).

 

Abbildung 1          Beispiel für eine Übersichtsseite im PDE-Gutachten (Quelle: EMA-PDE-Guideline)

Aide Mémoire 07120104 der ZLG: Überwachung von Arzneimittelherstellern (Formular 071201_F01_02, optionale Berichtsvorlage, 2019)


Vermeidung von Kreuzkontamination

Wissensbasierte toxikologische Bewertung der verwendeten wirksamen Substanzen:

  • Grundlage: Toxikologische Bewertung gem. EMA-PDE-Guideline und diesbezügliches Q&A-Papier
  • Berechnung der PDE-Werte 
  • Ausgangsdatenbasis und -validität, Rechercheumfang, fachliche Kompetenz, Dokumentation des Verfahrens
  • Identifizierung kritischer Effekte
  • Ermittlung der NOAEL(s) bzw. LOAEL(s)
  • Ermittlung der Sicherheitsfaktoren (auch in Abhängigkeit von Ausgangswerten)
  • Berechnungsverfahren der PDE-Werte
  • für jede Applikationsform und jeden kritischen Effekt ist eine PDE-Berechnung durchzuführen
  • Auswahl des niedrigsten PDE-Werts als Grundlage für Berechnung des Akzeptanzkriteriums („Residual limit“) für Reinigungsvalidierung
  • analytische Fähigkeit zur Bestimmung von Restmengen im errechneten Bereich
  • Qualitätsrisikomanagement zur Bewertung und Kontrolle des Risikos und der demnach zu definierenden Maßnahmen

PIC/S Aide-memoire for Inspection of Health Based Exposure Limit (HBEL) Assessments and Use in Quality Risk Management (PI 052-1, 2020)

Hinweis: Health Based Exposure Limit (HBEL) ist der gesundheitsbezogene Grenzwert, der als PDE-Wert anzugeben ist.

Ein HBEL-Bewertungsbericht sollte enthalten:

  • Eine Zusammenfassung der Entscheidungen, eine Begründung und den endgültigen HBEL-Wert (= PDE-Wert)
  • Datum und Unterschrift von der/den Person(en), die die Bewertung durchgeführt hat/haben, einen Lebenslauf oder auf diesen verweisen.
  • Umfassende Literaturrecherche – eine klar dokumentierte Suchstrategie
  • Ergebnisse der Suche und Kommentar zu den Ergebnissen
  • Identifizierung der kritischen Effekte und Ausgangspunkte, die in den HBEL-Berechnungen verwendet werden – nicht-klinische Daten und klinische Erfahrung; eindeutige Begründung für die Zuordnung von Sicherheitsfaktoren

Die in der Zusammenfassung festgehaltenen Schlussfolgerungen sollten aus spezifischen Inhalten im Dokument abgeleitet sein. Ohne eindeutige Begründung dürfen keine Inhalte ausgeschlossen werden.

Gibt es eine plausible Erklärung, warum die verwendete Suche als am besten geeignet angesehen wurde?

Berücksichtigt der Bericht die durch die Suche gefundenen Daten? Werden auch die gesuchten Aspekte, zu denen keine produktbezogenen Informationen gefunden wurden, erfasst, z. B. Karzinogenität?

Normalerweise wird der niedrigste ermittelte HBEL-Wert verwendet. Wenn nicht, sollte dies begründet werden. Wenn Sie diesbezüglich unsicher sind, sollten Sie eine Expertenmeinung einholen, falls die Kontrolle des Produkts in Mehrzweckanlagen ein hohes Risiko darstellt.

Eine Begründung für die Auswahl der Sicherheitsfaktoren, die für die HBEL-Berechnung genutzt werden, sollte dokumentiert werden. Es sollte eine Erklärung für die Auswirkung von verschiedenen Verabreichungswegen (von potenziell kontaminierten Produkten) und von Tierarzneimitteln, jegliche Empfindlichkeit bestimmter Spezies, auf den HBEL gegeben werden.

Ein Lebenslauf sollte die Qualifikationen des Gutachters belegen (typischerweise ein Abschluss in Pharmazie, Pharmakologie oder anderen relevanten pharmazeutischen Wissenschaften), einen Hintergrund in Toxikologie mit angemessener vorheriger Erfahrung in der Bestimmung von gesundheitsbezogenen Expositionsabschätzungen wie z. B.:

  • Arbeitsplatzgrenzwerte (Occupational Exposure Limit, OEL)
  • Restlösemittel
  • elementare Verunreinigungen (Bestimmung der PDE-Werte)

Quellen

Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities, EMA/ CHMP/ CVMP/ SWP/ 169430/ 2012, 2014 – GMP-BERATER, Kapitel H.3.3.7

Aide Mémoire 07120104 der ZLG: Überwachung von Arzneimittelherstellern (Formular 071201_F01_02, optionale Berichtsvorlage, 2019), https://www.zlg.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=6048&token=3af43aaa1c9ddc1b00e0f7a413505f6e5ae2fc33

PIC/S Aide-memoire for Inspection of Health Based Exposure Limit (HBEL) Assessments and Use in Quality Risk Management (PI 052-1, 2020), https://picscheme.org/users_uploads/news_news_documents/5ef0b5df2ee1a.pdf


 
Sabine Paris

Autorin

Dr. Sabine Paris
Senior-GMP-Expertin, Apothekerin
E-Mail: sabine.paris@gmp-verlag.de

 
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