GMP-BERATER AL 4/2022
 08.11.2022

GMP-BERATER AL 4/2022

NEUES zu: Anhang 1 des EU-GMP-Leitfadens inklusive deutscher Fachübersetzung und Vergleichsdatei sowie Auswirkungen auf Räume und Raumlufttechnik

 

Nachstehend finden Sie eine Auflistung und kurze Zusammenfassungen der neuen und aktualisierten Kapitel.

Allgemeines

GMP Praxiswissen

Kapitel 3 Räume

GMP Regularien

Kapitel E Regularien Deutschland

Kapitel H EU-GMP-Leitfaden

Kapitel I Gesetze und Richtlinien USA


 

GMP Praxiswissen

Kapitel 3 Räume

Zur Herstellung steriler Arzneimittel werden im Anhang 1 zum EU-GMP-Leitfaden die Luftreinheitsklassen A–D definiert. Sie sind charakterisiert durch Grenzwerte für Partikel und Keime, wobei unterschiedliche Betriebszustände zu berücksichtigen sind. Die Sicherstellung der geforderten Luftreinheit ist Aufgabe der Raumlufttechnik. Durch die Qualifizierung von Räumen und RLT-Anlagen wird nachgewiesen, dass Räume und Raumluft den geforderten Kriterien entsprechen. Die fortlaufende Überwachung dieses Zustands im Betrieb ist Aufgabe des Monitorings.
Die Überarbeitung dieser grundlegenden und thematisch eng miteinander verbundenen Kapitel stellt den Auftakt dar für zahlreiche weitere Aktualisierungen im Praxisteil des GMP-BERATERs.
Informieren Sie sich rechtzeitig über die neuen Anforderungen und nutzen Sie die Übergangszeit bis August 2023 zur Umsetzung!

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3.D Luftreinheitsklassen

Die Luftreinheit spielt vor allem bei der Herstellung steriler Arzneimittel eine entscheidende Rolle. Festlegungen zur Luftreinheit findet man im Anhang 1 zum EU-GMP-Leitfaden, in der ISO 14644 und in der FDA-Leitlinie zur Aseptischen Herstellung.
Grundlegende Anforderungen an die GMP-gerechte Gestaltung pharmazeutischer Arbeitsräume werden im EU-GMP-Leitfaden Teil 1 in Kapitel 3 beschrieben. Darüberhinausgehende spezielle Anforderungen an pharmazeutische Reinräume findet man im Anhang 1 zum EU-GMP-Leitfaden.
Eine Reinraumklasse wird nicht nur über die Luftreinheitsklasse definiert, sondern berücksichtigt eine Reihe weiterer Designkriterien.
Der Anhang 1 definiert die Lufteinheitsklassen A–D für die Herstellung steriler Produkte. Ähnliche, aber im Detail unterschiedliche Luftreinheitsklassen werden in der ISO 14644 und der FDA-Leitlinie beschrieben. Hieraus resultieren häufig Missverständnisse bei der Interpretation und praktischen Umsetzung, die durch Hinzuziehen fachlicher Expertise vermieden werden können.
Für Räume zur nicht sterilen Fertigung gibt es keine verbindlichen Vorgaben für eine Raumklassifizierung. Eine solche kann jedoch in Anlehnung an die bestehenden Luftreinheitsklassen abgeleitet werden.
Die Klassifizierung von Reinräumen wird im Rahmen der Qualifizierung durchgeführt. Bei der Klassifizierung sind unterschiedliche Betriebszustände zu beachten, die sich im Hinblick auf die Grenzwerte für Partikel und Keime sowie die zugehörigen Messmethoden unterscheiden.
Der Anhang 1 (2022) fordert die Erstellung einer Kontaminationskontrollstrategie. In diesem übergeordneten Dokument sind die Reinheitszonenkonzepte mit allen kritischen Kontrollpunkten zu definieren und die Wirksamkeit aller konstruktiven, verfahrenstechnischen, technischen und organisatorischen Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen zu bewerten, die zur Beherrschung der mit der Kontamination verbundenen Risiken eingesetzt werden.
Die Umsetzung der GMP-Anforderungen an Reinräume wird durch bauliche, raumlufttechnische und hygienische Maßnahmen erreicht. Diese Maßnahmen sind in der Kontaminationskontrollstrategie mit Zuständigkeiten, Akzeptanzkriterien, Alarm- und Aktionsgrenzen sowie dem Vorgehen und den erforderlichen Gegenmaßnahmen präventiv festzulegen.
Der Anhang 1 liefert Beispiele für die Zuordnung verschiedener Arbeitsschritte zur aseptischen und sterilen Herstellung zu den definierten Luftreinheitsklassen.
(Harald Flechl)

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3.I Raumlufttechnik

Der Begriff Lufttechnik gliedert sich in die zwei Begriffe „Raumlufttechnik“ und „Prozesslufttechnik“.
In der pharmazeutischen Herstellung kommen im Wesentlichen folgende raumlufttechnischen Systeme zum Einsatz:

  • reine Außenluftanlagen
  • zentrale Umluft-/Mischluftanlagen
  • dezentrale Umluft-/Mischluftanlagen mit zentraler Außenluftaufbereitung
  • reine Umluftanlagen

Die atmosphärische Luft ist mit verschiedenen Stoffen unterschiedlicher Teilchengröße und unterschiedlicher Art durchsetzt. Dieses Gemisch an Inhaltsstoffen gilt es durch geeignete Luftfilter so weit zu reinigen, dass die geforderten Reinheitsbedingungen in einer Produktionsstätte eingehalten werden.
Für die Konzeption einer raumlufttechnischen Anlage für eine pharmazeutische Produktionsstätte müssen die äußeren Bedingungen und Gegebenheiten des Standortes, die Anforderungen an die Räumlichkeiten, die von der Produktion das Raumklima beeinflussenden Faktoren und die layoutabhängigen Anforderungen bekannt sein.
Bei der Auslegung und Gestaltung eines geeigneten Belüftungssystems müssen folgende Kriterien beachtet werden:

  • Raumdurchströmung
  • Filterqualität und Filterstufen
  • Raumbedingungen
  • Druckstufen

Der sichere, funktionstüchtige und wirtschaftliche Betrieb einer raumlufttechnischen Anlage im pharmazeutischen Umfeld erfordert ein festgelegtes Instandhaltungssystem und die prozess-/produktkritischen Arbeiten sind in der CCS zu beschreiben.
Die Instandhaltung umfasst unterschiedliche Maßnahmen: Inspektionen dienen der Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes, die Wartung dient der Bewahrung des Soll-Zustandes und die Instandsetzung der Wiederherstellung des Sollzustandes.
(Harald Flechl)

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3.J Qualifizierung von Räumen und raumlufttechnischen Anlagen

Die Betriebsräume und ihre Infrastruktur, zu welcher die raumlufttechnischen Anlagen gehören, sind für die Arzneimittelqualität von wesentlicher Bedeutung. Daher ist eine Qualifizierung erforderlich.
Die Qualifizierung soll sich auf die für die Produkt- und Personensicherheit wesentlichen Aspekte und Parameter aus der Risikobeurteilung beschränken; für alles Übrige, was für die technisch ordnungsgemäße Funktion der Räume und der raumlufttechnischen Anlagen notwendig ist, genügt eine technische Abnahme nach GEP.
Grundlage anspruchsvoller Qualifizierungsprojekte ist ein auf den Nutzeranforderungen (URS) aufbauender Qualifizierungs-Masterplan. Man unterscheidet vier aufeinander folgende Qualifizierungsstufen. Der Abschluss einer jeden Qualifizierungsstufe wird mit einem Qualifizierungsbericht dokumentiert. Der Umfang der Qualifizierungsaktivitäten hängt von der Komplexität des Bauvorhabens und den Anforderungen der Produkte beispielsweise an die Luftreinheit ab. Ausführliche Checklisten sollen helfen, den Qualifizierungsaufwand adäquat festzulegen.
Die Ausrüstung, Einrichtungen, Betriebsmittel und Systeme sind mit ausreichender Häufigkeit zu evaluieren, um den qualifizierten Zustand zu bestätigen. Die Möglichkeit, dass im Laufe der Zeit kleinere Veränderungen auftreten, ist dabei in Betracht zu ziehen. Wo eine Requalifizierung erforderlich ist und in anderen zeitlichen Abständen als im Anhang 1 angeführt erfolgt, sind die Zeitabstände zu begründen und Kriterien für die Requalifizierung festzulegen.
(Harald Flechl)

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3.K Monitoring raumlufttechnischer Anlagen von Reinräumen und reinen Bereichen

Das Pharmamonitoring der raumlufttechnischen Anlage dient der Messung, Registrierung und Speicherung von Daten, die für die Qualität von Arzneimitteln von Bedeutung sind und damit oft auch in die Chargendokumentation einfließen. Die qualitätsrelevanten Daten der raumlufttechnischen Anlage sind risikobasiert festzulegen und in der Kontaminationskontrollstrategie zu beschreiben.
Während das Pharmamonitoring zur Überwachung qualitätskritischer Messgrößen dient, ist die Erfassung, Registrierung und Steuerung technischer Daten Aufgabe des MSR-Systems.
Alle Messgeräte, die im Rahmen des Pharmamonitorings eingesetzt werden, müssen regelmäßig kalibriert werden. Die zur Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der Daten eingesetzten computergestützten Systeme müssen validiert werden.
Beim Pharmamonitoring steht die partikuläre und mikrobielle Luftreinheit im Vordergrund. Außerdem können physikalische Messgrößen wie z. B. Druck(differenzen) und Temperatur Gegenstand der Überwachung sein.
Die mikrobiologische Datenerfassung erfolgt meist manuell und kann dadurch selbst zum Prozessrisiko werden. Die Aussagekraft der etablierten mikrobiellen Nachweismethoden ist begrenzt, allerdings lassen sich die Ergebnisse nicht direkt mit denen modernerer Messmethoden vergleichen.
Die Monitoringdaten sind in periodischen Zeitabständen einer Trendanalyse zu unterziehen. Um sich anbahnende Probleme frühzeitig erkennen und ihnen rechtzeitig begegnen zu können, werden Warn- und Aktionsgrenzen festgesetzt. Bei deren Überschreitung werden Alarme ausgelöst, deren automatische Erfassung und nicht löschbare Registrierung ebenfalls Aufgabe der computergestützten Pharmamonitoringsysteme ist.

Der Betrieb einer raumlufttechnischen Anlage für Reinräume und reine Bereiche ist sehr energieintensiv. Da die Bedingungen im Reinraum sich ohne äußere Einflüsse nicht verändern, stellt das Konzept des abgesenkten Lüftungsbetriebs während Stillstandszeiten eine attraktive Möglichkeit zur Energieeinsparung und Kostensenkung dar. Ein solches Konzept ist bereits bei der Qualifizierung entsprechend zu berücksichtigen.
(Harald Flechl)

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GMP-Regularien

Kapitel E Regularien Deutschland

E.2 AMG – Arzneimittelgesetz: Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln

Das AMG wurde durch Berichtigung des Gesetzes zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 10.08.2022 (BGBl. I S. 1385) geändert.

Die Änderungen betreffen

  • § 21 Zulassungspflicht (Abschnitt (1)) sowie
  • § 55 Arzneibuch (Abschnitt (3)).

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Kapitel H EU-GMP-Leitfaden

H.4.1.1 Anhang 1 zum EU-GMP-Leitfaden Herstellung von sterilen Arzneimitteln

Die lang erwartete endgültige Fassung des neuen EU-Anhangs 1 wurde am 25. August 2022 veröffentlicht. Der völlig neue Ansatz des Dokuments sorgt nicht nur für mehr Klarheit bei den Anforderungen an die sterile Herstellung von Arzneimitteln und führt die Grundsätze des Qualitätsrisikomanagements ein, sondern ermöglicht auch die Einbeziehung neuer Technologien und innovativer Verfahren.

  • Die Frist für das Inkrafttreten ist der 25. August 2023.
  • Für den Abschnitt 8.123 über Gefriertrocknung und Produkttransfer beträgt die Frist für das Inkrafttreten zwei Jahre und wird somit am 25. August 2024 verbindlich.

Mit 58 Seiten ist das Dokument gegenüber dem Entwurf von 2020 um weitere sechs Seiten gewachsen, die Grundstruktur in elf Bereichen ist jedoch gleichgeblieben.

Darunter sind vor allem die Themen Isolatoren und RABS (4.18) und der Abschnitt "Form-Fill-Seal (FFS)" (8.96) zu nennen. Isolatoren und RABS wurden in eigenständige Abschnitte untergliedert und weiter vertieft, was auch für das Thema FFS gilt, das deutlich erweitert wurde.
Den neuen Anhang 1 stellen wir Ihnen mit deutscher Fachübersetzung zur Verfügung.

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EXTRA zum Anhang 1: Was ist neu? – Ein Vergleich

Diese praktische Arbeitshilfe, zusammengestellt von unserem Experten Fritz Röder, unterstützt Sie bei der Umsetzung der neuen Annex 1-Anforderungen, die Sie im August 2023 erfüllen müssen. Ein Kritikalitätsranking und die kompakten Kommentare des Autors bringen auf den Punkt, was Sie brauchen, um die Vorgaben umzusetzen.

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Kapitel I Gesetze und Richtlinien USA

I.9 Leitlinie für die Industrie Untersuchung von Prüfergebnissen außerhalb der Spezifikation (OOS) bei der pharmazeutischen Herstellung

Die US FDA hat ihre 16 Jahre alte Leitlinie zur Untersuchung von OOS-Testergebnissen (Out-of-Specification) in Laboren überarbeitet. Das Dokument beschreibt alle notwendigen Schritte, die bei der Untersuchung von OOS-Testergebnissen zu unternehmen sind. Darüber hinaus werden die Verantwortlichkeiten des Analytikers und des Laborleiters im Falle der Feststellung von OOS-Ergebnissen sowie zusätzliche Prüfschritte und eine abschließende Bewertung aller Ergebnisse behandelt.

Der Begriff OOS-Ergebnisse umfasst gemäß der FDA alle Testergebnisse, die nicht den Spezifikationen oder Akzeptanzkriterien entsprechen, die in Arzneimittelanträgen, Drug Master Files (DMFs), offiziellen Kompendien oder vom Hersteller festgelegt wurden. Der Begriff bezieht sich auch auf alle prozessbegleitenden Labortests, die außerhalb der festgelegten Spezifikationen liegen.

Die 17-seitige Leitlinie folgt einem klaren Schritt-für-Schritt-Ansatz in enger Anlehnung an 21 CFR 211:

  • Identifizierung und Bewertung von OOS-Testergebnissen – Phase I: Laboruntersuchung
  • Untersuchung von OOS-Testergebnissen – Phase II: Vollständige OOS-Untersuchung
  • Abschluss der Untersuchung

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